Bild nicht mehr verfügbar.

Flüchtlinge entschuldigen sich für Flüchtlinge: Am Dienstag rollte eine Gruppe Ägypter und Marokkaner vor dem Kölner Dom ein Transparent aus, mit dem sie die massiven Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht verurteilten.

foto: dpa/oliver berg

Berlin/Wien – Mehr als 560 Anzeigen sind seit der Silvesternacht in Köln bei der Polizei eingegangen, knapp die Hälfte davon wegen sexueller Übergriffe – zum Teil durch Asylwerber. Doch selbst wenn Tatverdächtige ermittelt werden können, ist eine Verurteilung in den meisten Fällen nicht zu erwarten. Das deutsche Sexualstrafrecht ist weniger streng als das österreichische.

Während in Deutschland, neben der Strafbestimmung gegen Vergewaltigung, nur der Paragraf gegen sexuelle Nötigung zur gerichtlichen Aufarbeitung von Ereignissen wie in Köln herangezogen werden kann, existieren dazu in Österreich mehrere Tatbestände. Allen voran eine Bestimmung, deren Beschluss laute Störgeräusche aus der FPÖ sowie vom ÖVP-Abgeordneten Marcus Franz begleiteten: der seit 1. Jänner novellierte Paragraf 218 Strafgesetzbuch vulgo "Grapschparagraf".

Strafwürdige "intensive Berührungen"

Dieser ahndet nun nicht mehr ausschließlich "belästigende geschlechtliche Handlungen", sondern auch die Würde verletzende "intensive Berührungen". "Dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen" wiederum sind durch den neuen Paragrafen 205a erfasst.

"Damit wären höchstwahrscheinlich sämtliche sexuellen Übergriffe, die in Köln zu Silvester stattgefunden haben, in Österreich strafbar", heißt es aus dem Frauenministerium. Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hatte sich massiv für die Änderungen eingesetzt.

Steinhauser: "Gesetz mangelhaft"

Skeptischer ist Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser: Zwar gebe es im Fall von Gruppenübergriffen "keine echte Lücke, die zu Straffreiheit führen würde. Doch das Gesetz ist mangelhaft", meint er im STANDARD-Gespräch. So ziele Paragraf 205a allein auf "beischlafähnliche" Delikte ab. Auch Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt, übt Kritik. Die Vorgaben des Istanbul-Übereinkommens des Europarats gegen Gewalt an Frauen seien in Österreich umgesetzt, nur: "Die gewählten Formulierung sind zum Teil schwach." So sei unklar, was unter einer in Paragraf 218 definierten "intensiven Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle" zu verstehen ist.

In Deutschland will man dem Istanbul-Übereinkommen jetzt rasch Folge leisten. Das sei eine der Konsequenzen aus den Kölner Vorfällen, erklären Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD).

Deutschland: Geplante Gesetzesänderungen

Das deutsche Sexualstrafrecht soll in zwei zentralen Punkten geändert werden. Derzeit ist die Hürde für eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung hoch. Der Mann muss Gewalt gegen die Frau angewandt oder ihr diese angedroht haben, sie muss ihm schutzlos ausgeliefert gewesen sein. Davon sind aber zum Beispiel jene Fälle nicht erfasst, in denen eine Frau "nur" Nein sagt.

Außerdem sollen künftig auch Belästigungen, die keine schwere sexuelle Nötigung darstellen, bestraft werden – also jene Handlungen, denen Frauen in Köln ausgesetzt waren (Griff zwischen die Beine, an den Po oder die Brust).

Im Netz läuft inzwischen unter dem Hashtag #ausnahmslos eine neue Kampagne gegen die Instrumentalisierung der Kölner Vorfälle, um "gegen einzelne Bevölkerungsgruppen zu hetzen". Als "harte, aber richtige Maßnahmen" bezeichnet de Maizière die geplante Verschärfung des Aufenthaltsrechts. Ein Ausländer soll das Gastrecht künftig auch dann verwirken, wenn er wegen schwerwiegender Delikte (körperliche Gewalt oder Missachtung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts von Frauen) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. (Birgit Baumann, Irene Brickner, 13.1.2016)