Wurde vom Landeshauptmann zur Kandidatur gedrängt: Alois Lugger

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Wien – Die ÖVP ist auf einen monatelang aufgebauten Präsidentschaftskandidaten eingeschworen; es wird schließlich ein Tiroler, an den schon niemand mehr geglaubt hatte – und den Ausschlag dazu gibt der niederösterreichische Landeshauptmann.

Klingt alles vertraut?

Für Kenner der ÖVP ist das Szenario tatsächlich altbekannt. Es stammt aus dem Frühjahr 1974. Und die Geschichte weist viele Parallelen zur Bestellung von Andreas Khol in diesen Tagen auf.

ÖVP war gegen Kreisky chancenlos

1974 war zwar kein reguläres Wahljahr, doch die Erkrankung von Bundespräsident Franz Jonas, der 1971 wiedergewählt worden war, ließ einen vorverlegten Wahltermin erwarten. Die damals auf Bundesebene gegen die mit absoluter Mehrheit regierende Kreisky-SPÖ chancenlose ÖVP schien gut vorbereitet zu sein – und hatte alle Optionen geprüft.

Am einfachsten hätte sie es gehabt, wenn sie einen gemeinsamen Kandidaten mit den Sozialisten gefunden hätte – das ehemalige ÖAAB-Mitglied Rudolf Kirchschläger, als Außenminister parteilos, hätte gepasst. Doch Kreisky beanspruchte Kirchschläger als SPÖ-Kandidaten.

Waldheim und Klaus wollten nicht

Also wurde ein eigener Kandidat gesucht: Der 1970 als Kanzler abgewählte Josef Klaus wollte aus persönlichen Gründen nicht, der 1971 unterlegene Kurt Waldheim war inzwischen UNO-Generalsekretär geworden.

Also einigte sich die Bundespartei auf Hermann Withalm. Der "eiserne Hermann" (den Spitznamen hatte ihm Kurt Vorhofer in der "Kleinen Zeitung" verliehen) hatte eine Karriere als Staatssekretär (1956- 1959 im Finanzministerium), Generalsekretär 1960-1970), Klubobmann (1966-1968) und Vizekanzler (1968-1970) hinter sich. Nachdem sich Klaus 1970 aus der Politik zurückgezogen hatte, war Withalm Parteichef geworden, nach seiner eigenen Wahlniederlage 1971 machte er dem ÖVP-Generalsekretär Karl Schleinzer an der Parteispitze Platz.

Plakate für den "eisernen Hermann"

Noch zu Lebzeiten von Amtsinhaber Jonas wurde der inzwischen als Notar in der Weinviertler Kleinstadt Wolkersdorf arbeitende Withalm innerparteilich beworben. Als Jonas am 24. April 1974 starb, hatte die ÖVP ihr Wahlkampfkonzept fertig. Bei der Wiener Druckerei Adamec wurden sogar die ersten Plakate gedruckt: "Seine Stärke gehört uns allen. Als Bundespräsident."

Doch in Schruns hatten sich drei Landeshauptleute – der Vorarlberger Herbert Keßler, der Salzburger Hans Lechner und der Tiroler Eduard Wallnöfer – zusammengefunden; und noch vom Kurhotel in Schruns aus richtete Wallnöfer den Wienern (über ein Interview mit der "Neuen Tiroler Zeitung") aus, dass Alois Lugger kandidieren sollte: "Ich hab das Gefiehl, er isch der beste Mann", diktierte Wallnöfer dem überraschten Redakteur Wolfgang Oberressl in den Block. Und der hatte eine innenpolitisches Sensation.

Withalm kannte seine Partei gut, kämpfen wollte er nicht. Also gab er auf.

Tiroler Bauernbund gegen Tiroler ÖAAB

Beim Bauernbündler Wallnöfer spielte mit, dass der Innsbrucker Bürgermeister und ÖAAB-Funktionär Lugger ein ernsthafter Konkurrent um den Landeshauptmannposten werden hätte können. Und er mobilisierte die anderen Landeshauptleute gegen die Bundespartei. Wichtig war das vor allem beim Niederösterreicher Andreas Maurer, wo er aber auf offene Ohren stieß: Dieser stand kurz vor der Landtagswahl am 9. Juni und wollte sich den Wahlsieg nicht durch eine absehbar schwache Performance seines niederösterreichischen Landsmanns Withalm verderben lassen.

Am 23. Juni 1974 trat der Tiroler Lugger an – gegen Kirchschläger errang er 48,3 Prozent.

Withalm wurde, was Khol bis heute war

Kirchschläger wurde für zwölf Jahre Bundespräsident (die ÖVP verzichtete 1980 darauf einen Gegenkandidaten aufzustellen). Lugger blieb Innsbrucker Bürgermeister und durfte als solcher 1976 zum zweiten Mal die Olympischen Winterspiele eröffnen.Und Hermann Withalm wurde Obmann des ÖVP-Seniorenbunds – in dieser Funktion einer der Vorgänger von Andreas Khol. (Conrad Seidl, 12.1.2016)