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David Bowie 1976 in Berlin. Dort entstand sein Album "Low".

Corbis

Wien – Das Spiel mit dem Mysteriösen und Geheimnisvollen durchzieht David Bowies Kunst. Das zeitigte eine Verwandlungsfähigkeit, die ihm den mäßig originellen Titel Popchamäleon einbrachte und ihm Auftrag zur beständigen Neupositionierung war. Vor allem in den 1970ern gelang ihm das auf bestechende Weise. Damals setzte er Trends, später absorbierte er sie nur noch. Aber man kann die Nase nicht ein Leben lang vorne haben.

28 Studioalben hat Bowie veröffentlicht. Er übertrug und überhöhte Sehnsüchte und Fantasien in abenteuerliche Kunstwelten. Zur ersten bemannten Mondlandung erschien 1969 sein Song Space Oddity, eine Schmonzette über einen Astronauten, der im Weltall verlorengeht.

David Bowie

Illuminierte Fantasien

1971 veröffentlichte er mit Hunky Dory ein vielschichtiges Werk, das selbst in skizzenhaften Momenten noch glänzt wie ein Rohdiamant. Es gilt als eines seiner besten. Mit dem 1972 folgenden The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars wurde er zum Superstar und schuf eines der zentralen Werke dieser Epoche. Bowie deutete Glamrock nicht nur als extrovertierte Unterleibskunst mit zu viel Kajal am Lid, sondern als zerrissene Nabelschau zwischen Unsicherheit und Größenwahn. Als Kunstfigur Ziggy Stardust führt er durch extraterrestrisch gefärbte, stark sexualisierte und von Drogen illuminierte Fantasien, die der Welt mit der sehnsüchtigen Verheißung von Starman einen immergrünen Hit beschert. Ein Meisterwerk.

David Bowie

Mit Eno in Berlin

Bowie hingegen nannte in den letzten Jahren Low sein bestes Album. Dem möchte man nicht widersprechen. Entstanden war es 1976 unter der visionären Produktionsarbeit von Brian Eno in Berlin, wo Bowie zum Drogenentzug hingezogen war. Mit Eno produzierte er in der Folge noch Heroes (1977) und Lodger (1979).

Kreativer Fatalismus

Am Wendepunkt in Richtung Postpunk und New Wave widerspiegeln diese Alben die Düsternis der Mauerstadt, sind in Ton gesetzte Zeitgeschichte im Angesicht des kalten Krieges, dessen Bedrohung in Berlin einen kreativen Fatalismus erblühen hat lassen. Titel wie Speed of Life sowie Videodokumente jener Zeit belegen, dass Bowies Entzug hart gewesen sein muss. Dennoch zählen Songs wie Sound and Vision, das sich nach Halt sehnende Be My Wife und das resignierte Always Crashing in the Same Car zu den Sternstunden seiner Karriere; auf der B-Seite verschwindet er fast gänzlich im instrumentalen Ambient Enos.

David Bowie

Derlei atmosphärische Dichte sollte dem Sternenmann nicht wieder gelingen, wenngleich es Blackstar, seinem erst vergangene Woche erschienenen letzten Album, durch das Wissen um das nahende Ende nicht an emotionaler Schwere mangelt. (Karl Fluch, 11.1.2016)