Ein gebrochener Mann: Der 78-jährige Bill Cosby auf dem Weg zum Bezirksgericht von Elkins Park, Pennsylvania.

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Es ist noch gar nicht so lange her, da war Bill Cosby der ungekrönte König der Motivationsseminare, die in Amerika eher glitzernden Shows gleichen, in denen Prominente aufs Plastischste über die Wurzeln ihrer Erfolge reden, oft vor Tausenden Zuhörern in einem Stadion.

Cosby erzählte launig von den Anfängen seiner Karriere, davon, wie angespannt seine Nerven waren, was für ein gewaltiger Druck auf ihm lastete, als er sich auf einer Varietébühne in Chicago beweisen musste. Beim ersten Mal ging alles schief, worauf ihn ein Ansager vor dem zweiten Auftritt nur noch als Bill Cosby ankündigte und nicht mehr als den aufstrebenden Komödianten Bill Cosby. Er war so empört, dass er zu streiten begann. In dieser Situation sei aller Druck von ihm abgefallen, woraus er fürs Leben die Lehre zog, sich nie wieder einschüchtern zu lassen.

Der Rest ist eine amerikanische Erfolgsgeschichte, der Aufstieg aus einem Armenviertel Philadelphias auf den Olymp, gipfelnd in der "Cosby Show", einer Sitcom, die von 1984 bis 1992 ausgestrahlt wurde und den Komiker zu einer der populärsten Fernsehfiguren des Landes aufsteigen ließ. Da war er Cliff Huxtable, mal strenger, mal humorvoller, mal verzweifelter Familienvater, zufällig Afroamerikaner, beliebt bei den weißen Mittelschichten.

Die konnten sich schon deshalb mit ihm anfreunden, weil er so gar nichts gemein hatte mit dem Klischee des zornigen schwarzen Mannes. Cosby habe, schrieb Jerry Nachman, ein Kolumnist aus San Francisco, den Leuten ein gutes Gefühl in Bezug auf Amerika gegeben. Der Pädagoge der Nation. Eine moralische Institution. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich ermessen, was für ein Denkmal da vom Sockel stürzt.

Alter Mann mit Gehstock

In Pennsylvania, im gepflegten Vorortambiente von Philadelphia, geht das erste Gerichtsverfahren gegen den 78-Jährigen über die Bühne. Am Tag vor Silvester musste er sich im District Court von Elkins Park einfinden, ein gebrechlicher alter Mann in Strickjacke, der zum Laufen einen Gehstock benutzt. Auf freiem Fuß ist er nur, weil er eine Million Dollar als Kaution hinterlegte. Die Klägerin, Andrea Constand, wirft ihm vor, sie 2004 in seinem Haus mit Wein und Tabletten gefügig gemacht und anschließend sexuell missbraucht zu haben.

Constand, eine hochgewachsene Kanadierin, war einst Basketballtrainerin der Temple University in Philadelphia, wo einst auch Cosby studierte. Der Fall ist nicht neu, bereits 2006 hatte sie sich mit dem Comedy-König auf einen Vergleich geeinigt. Was der damaligen Verständigung an Gesprächen zwischen den Anwälten beider Parteien vorausging, hat die "New York Times" im vergangenen Sommer ausführlich dokumentiert, nachdem sie die Freigabe sämtlicher Akten erzwungen hatte.

Die Aufzeichnungen skizzieren einen Macho, der sich zum väterlichen Beschützer einer unfreiwilligen Sexpartnerin aufspielt und genau zu wissen glaubt, was in ihrem Innern vorgeht. "Ich begleite sie nach draußen", schildert er einen Abend mit Constand. "Sie wirkt nicht verärgert. Sie sagt nicht: Mach das nie wieder." Er irre sich nicht, "denn ich kann Menschen und ihre Gefühle bei diesen romantischen, sexuellen Sachen, wie immer Sie das nennen wollen, ziemlich gut lesen." Im Leben Andrea Constands habe er die Rolle eines Mentors gespielt – und sich geärgert, dass sie sich seines Beziehungsnetzwerks nicht bediente, als er ihre eine Karriere als Sportreporterin nahelegte.

Über fünfzig Frauen sind es inzwischen, die dem Entertainer, einem seit 1964 verheirateten Mann, sexuelle Nötigung vorwerfen. Meist soll es nach dem gleichen Muster abgelaufen sein: Er verabreichte ihnen Beruhigungsmittel, und während sie vor sich hindämmerten, zog er sie aus, begrapschte sie, schlief mit ihnen. Einmal, belegen die Akten, versuchte er ein junges Model ins Bett zu kriegen, indem er den Fürsorglichen gab und sich nach dem Krebsleiden ihres Vaters erkundigte.

Die Scheinheiligkeit des Fernsehpädagogen – Hannibal Buress hatte sie als Erster zum Thema gemacht. Den afroamerikanischen Satiriker nervte der Zeigefinger, mit dem Cosby junge Schwarze in Armenghettos aufforderte, sich "anständig" zu kleiden: "Da setzt er sich hin und predigt: 'Zieht eure Hosen hoch, ich war im Fernsehen, ich darf von oben herab zu euch reden, denn ich hatte eine erfolgreiche Sitcom.'" "Yeah, Bill Cosby, aber du vergewaltigst Frauen, also stell den Ton mal ein bisschen leiser." Im Herbst 2014 war das, der Damm war gebrochen, seitdem nimmt die Entzauberung ihren Lauf.

Gegenklagen

Doch es gibt auch Kommentatoren, die von einer Reihe von Trittbrettfahrerinnen reden, von Versuchen, sich nachträglich zu bereichern, indem man an einer Hatz teilnimmt. Der Gestrauchelte seinerseits hat sieben Frauen verklagt, weil sie "bösartige, falsche und verleumderische" Anschuldigungen in die Welt setzten. Als Schauspieler Eddie Murphy gebeten wurde, anlässlich eines Jubiläums von "Saturday Night Live" Bill Cosby zu mimen, ihn satirisch aufs Korn zu nehmen, lehnte er dankend ab. Man trete nicht einen, der schon am Boden liege. (Frank Herrmann aus Washington, 9.1.2016)