"Gleichzeitig bin ich nicht naiv. Ich weiß, ich bin ein Außenseiter", so Van der Bellen.

Foto: APA/Hochmuth

Wien – Ein Plädoyer für eine "neue Gesprächskultur", gewürzt mit etwas Patriotismus: Alexander Van der Bellen positioniert sich als verbindender Hoffnungsbringer.

Der Anzug sitzt, ebenso die einstudierten Gesten, und die zentrale Botschaft – "Ich bin überzeugt, ich habe eine ernste Chance" – wird bei der Antrittspressekonferenz am Sonntag mehrmals und deutlich platziert. Kampagnenchef Lothar Lockl lächelt zufrieden, das Produkt Alexander Van der Bellen, Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl Ende April 2016, ist lanciert. Nun heißt es: Marke schärfen, Bekanntheitsgrad erhöhen, Kaufimpuls erregen.

Immer wieder bricht im geschliffenen Auftritt dann doch der verschmitzte Professor durch: Ob es tatsächlich reiner Zufall war, dass seine Autobiografie just wenige Monate vor der Wahlkampagne herauskam? "Zu dem Buch hat mich der Verlag überredet", grinst Van der Bellen. Koketter Charme und Selbstironie – diese Charaktermerkmale sind es, die den 71-Jährigen wohl am markantesten abheben vom ÖVP-unterstützten Mitbewerber ums Bundespräsidentenamt, Andreas Khol.

fischer

Überreden ließ sich Van der Bellen auch zur Kandidatur, monatelang hatte er sich trotz hartnäckigen Drängens der grünen Parteispitze geziert. Nun setzt er auf zwei Parolen: Einerseits appelliert er an Liberale, indem er "eine neue Gesprächskultur, eine Kultur des Respekts, der Wertschätzung, des Einander-zuhören-Könnens" verspricht.

"Flüchtlingskind"

Andererseits unterstreicht er, wie sehr ihm "meine Heimat" Österreich am Herzen liege, und appelliert damit auch an konservative, patriotischere Wähler. Dieses Land habe "mir, dem Flüchtlingskind, große Chancen eröffnet", formuliert der Sohn estnischer Einwanderer.

Seine Ankündigung, er würde als Bundespräsident keine FPÖ-Regierung angeloben, hat er ja mittlerweile abgeschwächt. Am Sonntag legt er sich diesbezüglich nicht fest, stellt aber klar, dass "die stärkste Fraktion nicht automatisch Anspruch auf den Bundeskanzler (hat) – nicht juristisch, nicht moralisch, gar nicht".

Er baue darauf, dass die Menschen, die ihn wählen, ihn auch wegen seiner antiblauen Haltung unterstützen – wodurch sein Favorisieren einer Regierung ohne FPÖ-Beteiligung quasi demokratisch legitimiert sei. Ein Präsident, so Van der Bellen, müsse "ein Mindestmaß an Vertrauen in die Bundesregierung, die er angeloben wird, haben". Vielleicht komme es aber erst gar nicht so weit, dass die FPÖ weiter an Popularität gewinne, scherzt er – "wer weiß, ob der Hype nicht in zwei Jahren vorbei ist".

Wie schon im Antrittsvideo setzt der 71-Jährige auf Optimismus in Zeiten der Krise. Mehrmals bekennt er sich zur Europäischen Integration, warnt vor einer "Sprengung der Europäischen Union" durch die Rückkehr zu nationalstaatlichem Denken. Dafür, dass Thomas Klestil (ÖVP) die schwarz-blaue Regierung unter Wolfgang Schüssel zu einer proeuropäischen Präambel im Regierungspakt verdonnert hatte, zollte er dem verstorbenen früheren Bundespräsidenten Respekt.

Übergriffe "indiskutabel"

Angesprochen auf die jüngsten Übergriffe auf Frauen in Köln, sagt Van der Bellen, diese seien "indiskutabel". Wer die "Wahrung der Würde der Frauen" nicht als Pflicht erachte, "der hat in unserer Gesellschaft nichts verloren".

Was die Finanzierung des Wahlkampfs und die Verwendung der Gelder betrifft, gelobt Van der Bellen Transparenz – "bis hin zur einzelnen Bahnfahrt nach Linz". Details zu etwaigen Unterstützern aus nichtgrünen Lagern will der Kandidat jedoch vorerst nicht preisgeben.

Junge Grüne verärgert

Bei der Grünen Jugend herrscht indes Unzufriedenheit mit Van der Bellens Kandidatur. Wenn die Grünen schon einen Kandidaten unterstützen, so die in sozialen Medien offen geäußerte Kritik, so hätte sich dieser auch der Wahl am Bundeskongress stellen sollen. Denn dort, so heißt es, hätte es wegen mancher "neoliberaler" Positionen des Ökonomen durchaus hitzige Debatten gegeben. (Maria Sterkl, 11.1.2016)