Eine mögliche Rekonstruktion von Gigantopithecus blacki – auf anderen ähnelt er stärker einem Orang-Utan als einem Gorilla.

Illustration: APA/AFP/SENCKENBERG RESEARCH INSTITUTE / H. Bocherens

Tübingen/Frankfurt – Neben ihm hätten sich die größten heutigen Primaten – also Gorillas und wir – wie Hobbits ausgenommen: Möglicherweise bis zu drei Meter hoch und eine halbe Tonne schwer, lebte Gigantopithecus blacki während des Pleistozäns in Waldregionen im heutigen Südchina und Vietnam. Er gilt als der größte Primat, den es je gegeben hat.

Alles in allem hält sich unser Wissen über diese spektakuläre Spezies aber in Grenzen, wie Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment der Universität Tübingen betont. Der Grund: Bislang hat man nur Zähne und Kieferteile gefunden, sowohl von G. blacki als auch von dessen kleineren Verwandten G. bilaspurensis und G. giganteus.

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Diese Funde sind zwar deutlich größer als ihre Gegenstücke bei heutigen Menschenaffenarten. Eine 1:1-Übertragung auf die Körpergröße ist deshalb aber noch nicht möglich, da man bei der genauen Anatomie des Tieres auf Spekulationen angewiesen ist. Zumeist wird Gigantopithecus als riesige Form des Orang-Utans rekonstruiert, der dessen nächster lebender Verwandter sein dürfte; andere Forscher ziehen eher Parallelen zu Gorillas.

Die Einschätzungen des Riesenaffen gehen daher weit auseinander. Das untere Ende liegt bei 1,80 Metern Höhe und 200 Kilogramm Gewicht, was ihn bereits an die Dimensionen von Gorillas und Menschen heranbringt – und nicht zu vergessen an die des Riesenlemuren Archaeoindris, der bis vor einigen tausend Jahren auf Madagaskar lebte. Im Schnitt bleibt Gigantopithecus blacki aber der größte Primat aller Zeiten, den man bisher kennt.

Die Gattung Gigantopithecus entstand vor acht bis neun Millionen Jahren in einer Region, die vom Norden Indiens bis nach China und Indonesien reichte. G. blacki war einer ihrer späteren Vertreter, die jüngsten Fossilien dieser Art wurden auf etwa 100.000 Jahre datiert. Warum die Riesen dann ausgestorben sind, versuchten Bocherens und seine Frankfurter Kollegen anhand von Zahnschmelzanalysen zu klären – und sie glauben auch die Antwort gefunden zu haben.

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Sie untersuchten Kohlenstoffisotope im Zahnschmelz von Funden aus China und Thailand, darunter auch der aus dem Jahr 1935 stammende Erstnachweis der Gattung. Eine solche Isotopenanalyse ermöglicht Aussagen über die Nahrung des Tiers. In diesem Fall lautet das Ergebnis, dass es sich um einen reinen Pflanzenfresser handelte und dass er seine Nahrung ausschließlich von typischen Waldpflanzen bezog – obwohl es in den jeweiligen Regionen auch offene Savannen gab.

Weiteres Ergebnis: Der Riesenaffe war nicht auf Bambus spezialisiert. Das widerspricht der Hypothese, Gigantopithecus könnte in seinem Lebensraum vom Pandabären verdrängt worden sein, der diese Nahrungsquelle heute nutzt. Stattdessen dürfte sich Gigantopithecus sehr ähnlich wie ein Orang-Utan ernährt haben – auch wenn er aufgrund seiner Körpergröße vermutlich ein reiner Bodenbewohner war.

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Warum nun der Orang-Utan überlebt hat und Gigantopithecus ausgestorben ist, liegt laut Bocherens einfach an der unterschiedlichen Körpergröße und damit dem Nahrungsbedarf. Im Verlauf des Pleistozäns, als es kühler und trockener wurde, schrumpften die Wälder und damit auch das Nahrungsangebot für die auf den Wald spezialisierten Menschenaffen. Für die kleineren Orang-Utans, die zudem einen langsamen Stoffwechsel haben, wie Bocherens betont, reichte das, was übrig blieb, immer noch aus. Für den Nahrungsbedarf von Gigantopithecus war es jedoch zu wenig.

Obwohl der Riesenaffe bei Kryptozoologen ausgesprochen beliebt ist und sogar schon als Erklärung für den Yeti herangezogen wurde, ist es nicht allzu wahrscheinlich, dass je ein Mensch einen Gigantopithecus gesehen hat. Er war zwar ein Zeitgenosse des Homo sapiens, allerdings sollte dieser die Heimat des Riesenaffen erst einige zehntausend Jahre nach der Ära, aus der die letzten bekannten Gigantopithecus-Fossilien stammen, erreichen. Unser Vorfahre Homo erectus allerdings, der China schon vor über einer Million Jahre erreicht hatte, dürfte den Giganten des Waldes tatsächlich begegnet sein. (jdo, 5. 1. 2016)