Erklärvideo zu Polaritonen der University of Sheffield.

LDSD semiconductor research group Sheffield University

Cambridge/Wien – Die Computer der Zukunft könnten mit Teilchen rechnen, die eigentlich keine sind: mit sogenannten Quasiteilchen. Hinter dem Begriff "Polariton" verbirgt sich ein solches Quasiteilchen, dass in einem speziellen Versuchsaufbau erzeugt werden kann.

"Das Polariton lebt sozusagen in einem Halbleiter", sagt Florian Pinsker, der sich mit einem Schrödinger-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF an der University of Oxford (Großbritannien) mit dem Quasiteilchen auseinandersetzt und mehrere Studien dazu veröffentlicht hat. Dieser Halbleiter liegt zwischen zwei Spiegeln, die in einem bestimmten, sehr knappen Abstand zueinander stehen.

"Wenn man mit einem Laser auf dieses Konstrukt schießt, kann man in dem Halbleiter mit der Energie eines Lichtteilchens (Photon) ein Elektron aus dem fixierten in den frei beweglichen Zustand bringen – zurück bleibt dann sozusagen ein Loch. Das kann wiederum als Teilchen angesehen werden. Es hat eine positive Ladung, während das Elektron eine negative Ladung hat", so der Physiker.

Vom Exziton zum Polariton

Aufgrund der Ladungsunterschiede ziehen die beiden "Teilchen" einander an. Dieses Elektron-Loch-Paar bildet ein "Quasiteilchen", das die gleiche Welleneigenschaft wie ein Wasserstoffatom aufweist. Die Forscher bezeichnen dies als "Exziton".

Unter bestimmten Umständen kann auch das Laserlicht mit dem "Exziton" verknüpft werden: Das erste Photon, das auf den Halbleiter trifft, erzeugt das "Exziton", während das darauf folgende Lichtteilchen durch das entstandene Loch schlüpft und zwischen den beiden Spiegeln, deren Abstand genau auf die Wellenlänge des Lichts abgestimmt ist, hin und her reflektiert wird. Man nennt das einen optischen Resonator, in dem eine stehende Welle sozusagen gefangen gehalten wird. Pinsker: "Das Elektron, das Loch und das Licht bilden zusammen sozusagen eine eigene Einheit, ein eigenes Ding – ein 'Polariton'."

Pinsker und seine Kollegen interessiert vor allem, ob man diese Quasiteilchen als Informationsträger in einem Quantencomputer nutzen kann. Dabei wäre die kleinste Informationseinheit nicht mehr das Bit, das exakt zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) kennt, sondern das Quantenbit (Qubit). Da dieses auch alle Zustände zwischen null und eins einnehmen könnte, würde es möglich, bestimmte Probleme wesentlich schneller zu lösen als bisher.

Kurzlebigkeit als Vor- und Nachteil

Das Potenzial ist jedenfalls vorhanden: Denn aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Polariton um ein Hybrid aus Licht und Elektron handelt, wäre es möglich, "mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zu operieren", so Pinsker. Außerdem könne man diese Quasiteilchen innerhalb von Femtosekunden bilden. Ihre Kurzlebigkeit sei sowohl Vorteil als auch Nachteil: Einerseits könne man dadurch Quanteninformationen gut auslesen, andererseits sei noch offen, wie viele Rechenprozesse man ausführen kann, bevor ein Polariton zerfällt.

Ein weiterer Vorteil wäre, dass diese Zustände bei Raumtemperatur erzeugt werden können. Außerdem können sie sogenannte Bose-Einstein-Kondensate formen: Hierbei befinden sich alle erzeugten Polaritonen im selben Quantenzustand und formen eine riesige Quantenwelle. "Es gibt nichts Vergleichbares in der Technologie-Branche", sagt Pinsker. Entsprechend hoch sei das Interesse an ihrer Erforschung. (APA, red, 5.1.2015)