Kataloniens Regionalpremier Artur Mas vom Wahlbündnis "Gemeinsam für das 'Ja '" pokerte hoch. Zu hoch, denn nach dem Nein der linksradikalen Sezessionisten über seine Wiederwahl dürfte der abtrünnigen Region ein neuerlicher Urnengang drohen.

Granada/Barcelona – Ein endloser Verhandlungsreigen, der seit den Regionalwahlen Kataloniens am 27. September andauert, ist in die Sackgasse geraten. Neuwahlen bis Mitte März dürften drohen. Zu verhärtet sind die Positionen, zu unerreichbar erscheinen die verbleibenden Alternativen.

Binnen 18 Monaten hätte eine Koalitionsregierung, angeführt von Regionalpremier Artur Mas, die wesentlichen Weichenstellungen für eine Abspaltung von Spanien vollziehen sollen – gemäß einer parlamentarisch Roadmap zur Unabhängigkeit, die umgehend vom Madrider Verfassungsgericht gekippt wurde. Der angestrebte Weg des Wahlbündnisses "Gemeinsam für das Ja", also für die Unabhängigkeit (Junts pel 'Sí', abgekürzt JxS) – aus rechtsliberalen Nationalisten (CDC), Linksszessionisten (ERC) und kleineren Fraktionen ist nun definitiv blockiert. Die linksradikale "Kandidatur der Volkseinheit" (CUP) will nicht Mehrheitsbeschaffer für eine weitere Legislaturperiode unter Mas sein.

Gemeinsam würden JxS mit 62 und die CUP mit ihren zehn Abgeordneten die absolute Mehrheit im 135 Sitze zählenden Parlament in Barcelona haben, doch das Problem war und ist Mas – für die CUP wohlgemerkt, und zwar wegen der unter ihm propagierten Sparpolitik, konträr zum Anti-Austeritäts-Kurs der Linksradikalen, und seines Naheverhältnisses zum in massive Korruptionsskandale verwickelten Familienclan von Ex-Regionalpremier Jordi Pujol (CDC). Zudem variieren die Vorstellungen der CUP zu einer unabhängigen Republik Katalonien deutlich, da sie katalanische Gebiete in Frankreich und der Region Valencia für den zu schaffenden Neo-Staat beanspruchen.

In einer Handvoll Urabstimmungen der CUP-Basis über die vergangene Woche votierte man stets gegen die Wiederwahl von Mas. Einmal gar wurde das Kuriosum eines Patts erzielt: 1515 zu 1515 Stimmen.

Kämpferischer Artur Mas

Wie die CUP-Abgeordnete Anna Gabriel betont, wäre ihre Partei prompt zu "einstimmiger Unterstützung alternativer JxS-Kandidaten" bereit. Präferenzen sind Raül Romeva, JxS-Listenerster und Ex-EU-Parlamentarier der – oder eben ERC-Parteichef Oriol Junqueras.

Doch zeigt sich Mas selbst, der sich der Unterstützung seiner Parteikollegen gewiss ist, ebenso stur und kämpferisch wie die CUP: Er habe Lust, "Madrid und jenen regionalen Kräften, die einem nichts einfach machen, die Stirn zu bieten", sagte er.

Alternativen zu Neuwahlen sind rar. Abseits der CUP-Unterstützung im Gegenzug für Mas' Kopf wäre mit der "Podemos"-nahen Fraktion "Katalonien, ja es ist möglich" ein Pakt rechnerisch denkbar. Mit elf Abgeordneten hätte sie ausreichend Gewicht für die Regierungsbildung mit JxS. Doch beharrt man auf einem Referendum über die Sezession und ist mehr als zuversichtlich, dass Katalonien sich klar für den Verbleib bei Spanien aussprechen würde.

Hier mischt das Vakuum der zentralspanischen Machtverteilung nach den Parlamentswahlen vom 20. Dezember mit. Nicht minder unklar wie in Katalonien ist die Bildung einer Regierung in Madrid: Rechts der Mitte erreicht der konservative Premier Mariano Rajoy vom Partido Popular, der mit seiner Dialogverweigerung als größter Motor der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung gilt, mit der rechtsliberalen Ciudadanos-Liste keine Mehrheit. Links müssten sozialistischer PSOE, "Podemos" und Linkssezessionisten der ERC zueinanderfinden.

Doch PSOE-Chef Pedro Sánchez ist Gegner eines Katalonien-Referendums, da dieser Schuss nach hinten losgehen könnte. Und die ERC-Leute sind Hardliner in Sachen Sezession. Wahrscheinlicher erscheint, dass heuer nicht nur die Katalanen neuerlich zu den Urnen gerufen werden. (Jan Marot, 5.1.2016)