Im von der EU geförderten Projekt "Strands" wird ein Serviceroboter namens Henry getestet, der informieren und überwachen soll.

Foto: TU Wien, ACIN, Markus Vincze

Wien – Die Welt beherrschen Roboter noch nicht. Aber sie prägen den Alltag zunehmend. Anstatt nur Autos zusammenzuschrauben und Fußböden zu saugen, dauert es wohl nicht mehr lange, bis sie den Menschen eine Vielzahl von Tätigkeiten abnehmen. Dass Roboter einmal unsere zuverlässigen Freunde werden, daran arbeiten Ingenieure im privaten Sektor und auch Wissenschafter. Einer von ihnen ist Markus Vincze vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien.

Ein Schwerpunkt seiner Forschung ist es, den Robotern das Sehen beizubringen. "Die Wahrnehmung ist eine der größten Herausforderungen in der Robotik", sagt Vincze. "Für eine funktionierende Interaktion müssen sie den Menschen nicht nur als solchen erfassen, sondern auch seine Intentionen erkennen. Wo geht er hin, was will er tun? Wenn der Roboter das nicht versteht, kann es schnell zu Problemen kommen."

Aufgeschlossene Reaktionen

Um solche Situationen zu vermeiden, erforschen Vincze und seine Mitarbeiter derzeit in diversen Projekten, wie Roboter sich orientieren und wie man die dafür eingesetzten Technologien verbessern kann. Eine von Vinczes Schöpfungen rollte dafür in Wien zwei Monate lang durch das Haus der Barmherzigkeit. Hier wurde im Rahmen des von der EU geförderten Projekts "Strands", an dem verschiedene Hochschulen aus vier Ländern beteiligt sind, ein Serviceroboter getestet. Die Maschine namens Henry soll langfristig in verschiedenen Bereichen informieren und überwachen.

Im Wiener Feldversuch assistierte er älteren Menschen: Um seine Aufgaben – die Analyse von Gefahrenquellen und die hilfreiche Kommunikation mit Menschen – auszuführen, war das Pflegekrankenhaus der passende Ort. Zudem hielt der Roboter die Pensionisten auf Trab: Er leitete bereits eine Führung für die Bewohner durch die Anlage.

Dabei reagierten diese auf den ungewöhnlichen Besucher weitaus aufgeschlossener, als man das von vermeintlich technologieskeptischen Senioren annehmen könnte, sagt Vincze: "Auch ältere Menschen haben schon viel von Robotern gehört und sind interessiert, was sich dahinter verbirgt. Daher gab es keine Berührungsängste. Wenn überhaupt hatten die Testpersonen Angst, dass sie etwas falsch bedienen oder nicht verstehen." Dem schaffe man Abhilfe, indem man die Bedienung des Roboters etwa im Bereich des Interface konkret für die Bedürfnisse der Senioren konzipiert und vorab vernünftig einweist.

Hobbit und Squirrel

Der Roboterforscher zehrte dabei auch von Erfahrungen aus einem anderen Projekt, das Pensionisten und Roboter zusammenbringt und bereits seit zwei Jahren läuft: Der "Hobbit" ist ein Roboter, der in der Wohnung älteren Menschen beistehen soll. Vinczes Vorstellung: Hindernisse werden aus dem Weg geräumt, und älteren Menschen wird von Robotern insbesondere dann geholfen, wenn sie gestürzt sind. "Noch haben wir einige Probleme zu lösen. Derzeit hat unser Gerät etwa Schwierigkeiten, kleinere Gegenstände zu identifizieren und zu ergreifen."

Künstliche Intelligenz nützt nämlich nichts ohne Erfahrungswerte. Die sammelt wiederum "Squirrel", der in Wiener Kindergärten getestet wird. Hier greift der Roboter den Kindern beim Aufräumen unter die Arme.

Was für Menschen ein recht banaler Vorgang ist, stellt die Maschine vor komplexe Herausforderungen: Die Identifikation und Klassifizierung von Gegenständen ist für das technische Auge nämlich gar nicht so einfach: Roboter sind für bestimmte Oberflächen blind. Reflektierende, transparente und schwarze Gegenstände können die optischen Sensoren, die Roboter als Augen benutzen, derzeit aus technischen Gründen schwer oder gar nicht erfassen.

Vinczes Team versucht dieses Problem zu lösen, indem man dem Roboter das Sehen weniger über Farben, sondern mehr über Formen beibringt. So habe man die Erkennungsmethoden laut Vincze schon deutlich verbessert: Zum Beispiel könne der Roboter inzwischen ein durchsichtiges Glas in zylindrischer Form gut erkennen.

Restrisiko bleibt bestehen

Die Wahrnehmung zu verbessern dient aber nicht nur einer besseren Interaktion mit dem Menschen, sondern reduziert vor allem die Gefahr, die derzeit von den Geräten ausgeht. Vor allem in der Industrie ist der Roboter immer noch genauso ein Sicherheitsrisiko wie menschliche Arbeiter: Wenn schwere Gegenstände schnell bewegt werden, kann das böse enden. Die neueste Robotergeneration, die aktuell im Einsatz ist, gibt bei einem Kontakt sofort nach. Aber automatisch ausweichen können sie meist noch nicht.

Ohnehin wird sich ein gewisses Restrisiko nicht beiseiteschaffen lassen, sagt Vincze: "Das Handhaben von Unsicherheiten ist eine der größten Innovationen der letzten Zeit auf diesem Feld. Gerade deshalb konnten große Fortschritte im Bereich der autonomen Navigation gemacht werden. Aber bei Robotern bleibt immer ein Gefahrenpotenzial bestehen." Wenn der Roboter dem Menschen immer ähnlicher wird, heißt das auch, dass er fehlbar bleibt. (Johannes Lau, 5.1.2016)