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Grün – an der chinesischen Börse das Symbol für fallende Kurse .

Foto: reuters / stringer

Voller Zuversicht hätten Chinas Aktienhändler den ersten Börsentag im neuen Jahr eigentlich bestreiten sollen. In seiner Neujahrsansprache hatte Staatschef Xi Jinping noch stolz darauf verwiesen, dass das Land selbst mit niedrigeren Wachstumsraten noch an der Spitze der Staaten stehe, die die Weltwirtschaft antreiben.

Und dann hatten Chinas IT-Techniker und Finanzexperten nach wochenlangen Vorbereitungen neue automatische Bremsraketen und -schirme zur Steuerung der Märkte eingebaut, sowohl gegen den freien Fall der Kurse als auch gegen deren Explosionen. Mit solchen Sicherungen würde sich ein Crash wie vergangenen Sommer nicht mehr wiederholen, so die Idee. Bisher gab es in China nur die Begrenzung, dass eine Aktie an einem Handelstag nicht um mehr als zehn Prozent fallen oder steigen durfte.

Neues System

Nun könne der chinesisch "Rongduan" genannte Mechanismus den gesamten Handel stoppen. Sobald der Leitindex "Hushen 300" (umfasst die wichtigsten Werte der Börsen in Schanghai und Shenzhen) um fünf Prozent steigt oder fällt, werden elektronisch beide Börsen für 15 Minuten außer Gefecht gesetzt. Sollte der Index nach Wiederaufnahme des Handels weiter um sieben Prozent fallen oder steigen, würde der Tageshandel abrupt beendet.

Am 4. Dezember stellten Schanghais Aufsichtsbehörden das neue System vor, genau einen Monat später trat es auch in Kraft. Und zwar nicht nur gesetzlich, sondern auch tatsächlich. Nach Börsenbeginn sind die Kurse am 4. Jänner so rasch auf die kritische Marke der fünf Prozent gefallen, dass um Punkt 13.12 Uhr nichts mehr ging. Als die Computer nach einer Viertelstunde Pause wieder hochgefahren wurden, wollten jedoch alle Anleger nur noch verkaufen – bevor das System automatisch jeglichen Handel stoppte. Um 13.33 Uhr war an den normalerweise bis 15 Uhr geöffneten Börsen dann Schluss. "Dies war das erste vorzeitige Ende des Handels in der chinesischen Börsengeschichte", schrieb konsterniert die Nachrichtenagentur Xinhua.

Konjunkturflaute

Unmittelbarer Auslöser für die Massenverkäufe waren in der Früh veröffentlichte schlechte Prognosen zur Industrieproduktion. Der von der einflussreichen Finanzzeitschrift Caixin monatlich erstellte Einkaufsmanagerindex (PMI) ist im Dezember zum zehnten Mal in Folge abgesackt. Er fiel im Vergleich zum Vormonat von 48,6 auf 48,2 Punkte – und damit weit unter die Marke 50, die Industriewachstum anzeigt.

Auch andere Faktoren drückten auf die Stimmung der Börsianer, schrieb Deng Haiqing, Chefökonom des nationalen Wertpapierhändlers JZ-Securities auf der Webseite der Börsenzeitung. Der chinesische Renminbi schwächte sich gegenüber dem Dollar zu stark ab. Am Montag stand er mit 6,50 Yuan pro Dollar auf dem niedrigsten Stand seit Mai 2011. Er weckte damit die Sorgen vor weiterer Kapitalflucht. Belastet werden die Märkte laut Deng auch vom Übernahmekampf um den Immobilienriesen Vanke sowie von Gerüchten über Probleme bei den Bankjahresbilanzen. Hinzu komme die angekündigte baldige Aufhebung der in Sommer erlassenen Aktienverkaufssperren für Exgroßaktionäre. Dass die Börsen weiter fallen, glaubt Deng aber nicht: Die allgemeine Wirtschaftslage gebe dafür keinen Anlass.

Asiatische Ansteckung

Chinas Börsenfall ließ alle anderen asiatischen Börsen mit abstürzen, wenn auch nicht so stark. Im Internet druckte ein Blogger die Ratschläge aus dem traditionellen Bauernkalender ab. Was da für den 4. Jänner zu lesen war: An diesem Tag soll man sich vor dem Gott des Reichtums verbeugen. Ungünstig sei es aber, am 4. Jänner selbst Geschäfte zu machen. (Johnny Erling aus Peking; 4.1.2016)