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Putins Beliebtheit hat unter der schlechten wirtschaftlichen Lage nach dem Krim-Hoch gelitten.

Foto: Reuters / Eduard Koriyenko

Er gilt zwar als "Garant der Stabilität" in Russland, doch stabil war dieses Jahr für Präsident Wladimir Putin mitnichten. Erst am Montag fiel der Rubel zum Dollar auf den tiefsten Stand seit einem Jahr. Und die angeschlagene Bank VEB dürfte eine Spritze von 18 Milliarden Dollar benötigen. Wirtschaftlich und sozial gesehen ist es für Russland ein schwarzes Jahr – bei tiefroten Zahlen: Erstmals seit Jahren sind die Reallöhne gefallen, die galoppierende Inflation und steigende Arbeitslosigkeit drücken auf das Lebensniveau der Russen.

Der Rückgang von schätzungsweise 3,8 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die schwerste Krise seit 2009, als das BIP um 7,9 Prozent einbrach. Damals war die globale Finanzkrise der Auslöser, doch diesmal spielen äußere Faktoren nur eine untergeordnete Rolle. Die Weltwirtschaft wächst, das "schwächelnde" China um immerhin noch 6,9 Prozent.

Mangelnde Diversifizierung wider besseres Wissen

Der Ölpreis ist drastisch gefallen – der Hauptgrund für das Minus beim BIP und beim Etat, wo das Wirtschaftsministerium mit einem Defizit von drei Prozent rechnet. Doch als Entschuldigung kann das nicht gelten: Seit Jahren predigt die russische Führung die Diversifizierung der eigenen Wirtschaft, um die Abhängigkeit vom Ölpreis zu minimieren.

"Die Rohstofforientierung der Wirtschaft hält an. Die Budgeteinnahmen hängen stark von der Dynamik der Weltmarktpreise für Energieträger ab. Wir verlieren den Wettbewerb auf dem Weltmarkt, der sich mehr und mehr auf innovative Sektoren fokussiert, auf die neue Ökonomie – eine Ökonomie des Wissens und der Technologien", klagte Putin bereits bei seiner ersten Rede zur Lage der Nation im Juli 2000. Doch noch immer machen fossile Rohstoffe rund 70 Prozent des Exports aus und tragen zur Hälfte des Haushalts bei.

Maue Modernisierung

Das Ölpreisdilemma wird durch die westlichen Sanktionen infolge der Ukraine-Krise verschärft. Mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten und der beschränkte Zugang zu Technologien erschweren Putin die ausgerufene Modernisierung des Landes zusätzlich. Das hat auch die Vnesheconombank VEB getroffen. Sie gilt als Speerspitze der Kombination aus Marktwirtschaft und strategischen Investitionen unter Ägide des Kreml. Sie hat Konglomerate von Oligarchen in Schieflage ebenso ausgeputzt wie Investitionen für die Olympiade in Sotschi finanziert.

Auch politisch hat die Ukraine-Krise, die vor zwei Jahren begann, Spuren hinterlassen: Das Misstrauen ist auf beiden Seiten groß. In Russland ist Putins Popularität nach dem Anschluss der Krim auf einem Allzeithoch, doch gerade im ersten Halbjahr verdunkelte die Krise noch Putins Image im Ausland.

Partner in Syrien

Immerhin scheinen hier die dunkelsten Zeiten für den Kremlchef vorbei. Der weiße Streifen ist schon zu erkennen: Im Zuge der allgemeinen Ratlosigkeit angesichts der zunehmend akuter werdenden Syrien-Krise wurde der einstige Paria vom Westen schnell zum Partner im Kampf gegen den Terror gekürt. Es ist eine schwierige und widersprüchliche Partnerschaft. Die Ziele der Koalitionäre im Nahen Osten divergieren stark, auch wenn derzeit die gemeinsame Furcht vor einem weiteren Erstarken der Terrormiliz IS sie eint. In der Ukraine ist das im Februar zwischen Putin, Petro Poroschenko, François Hollande und Angela Merkel ausgehandelte Minsker Abkommen immer noch nicht vollständig umgesetzt, was weitere Reibereien wahrscheinlich macht. Die EU-Sanktionen wurden auch für ein weiteres Halbjahr verlängert.

Auch Russlands Wirtschaft steht im kommenden Jahr vor neuen Herausforderungen. Die Prognosen für die BIP-Entwicklung schwanken zwischen gedämpft optimistisch (vonseiten des Wirtschaftsministeriums) und skeptisch (Weltbank und Internationaler Währungsfonds). Bleibt für Putin zu hoffen, dass er auf der nächsten Jahrespressekonferenz nicht erklären muss, dass 2015 am Ende doch noch der weiße Streifen war. (André Ballin aus Moskau, 30.12.2015)