Der Umbau des Eingangsbereiches würde laut Altstadt-Chef Otto Wiesenthal 70.000 Euro kosten.

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Auch die Toiletten sind zum Teil nicht behindertengerecht. Hier würde der Umbau 50.000 Euro kosten.

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Die Türen zur Rezeption und zum Salon sind derzeit ebenfalls zu schmal für Rollstuhlfahrer. Sie werden aber erweitert.

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Das einzige behindertengerechte Zimmer befindet sind ganz hinten am Gang. Ein Planungsfehler, wie Wiesenthal einräumt.

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Andere Zimmer – hier eine Suite – wurden nicht umgebaut.

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Wien – Otto Wiesenthal versucht die Probleme erst gar nicht wegzuleugnen. Sein Hotel, das Altstadt in der Wiener Kirchengasse, entspricht nicht allen Auflagen des Behindertengleichstellungsgesetzes. Das beginnt schon beim Eingangsbereich. Es gibt eine fünf Zentimeter hohe Stufe, zudem ist das Eingangstor zu schmal. Rollstuhlfahrer können es also nur passieren, wenn ihnen jemand den zweiten Teil des Tores öffnet und ihnen hilft.

In wenigen Tagen, nämlich am 1. Jänner 2016, müssten diese Hürden laut Gesetz beseitigt sein. Dann wird die zehnjährige Übergangsfrist zur Herstellung der Barrierefreiheit ausgelaufen sein. Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, müssen dann diskriminierungsfrei angeboten werden.

Nicht alles adaptiert

Der 66-jährige Wiesenthal hat in seinem Vier-Sterne-Hotel zwar in den letzten Jahren einiges adaptiert, aber eben nicht alles – ganz bewusst. Die Beseitigung der Stufe im Eingangsbereich sei der "Optik des Hauses", das 1902 erbaut wurde, "nicht zuträglich", wie er findet.

Dazu kommt der Kostenfaktor: 60.000 bis 70.000 würde ein neues Eingangstor, das dem Stil des Hotels entspricht, kosten, schätzt Wiesenthal. Die Adaptierung der Toiletten im ersten Stock – auch hier gibt es eine kleine Stufe – würde mit weiteren 50.000 Euro zu Buche schlagen. Der Zugang zur Rezeption und zum Salon sollte hingegen bald dem Gesetz entsprechen. Dieser Umbau, der rund 43.000 Euro kosten und in den nächsten Wochen über die Bühne gehen soll, habe aber eigentlich nichts mit dem neuen Gesetz zu tun. "Das war nicht mehr zeitgemäß", sagt Wiesenthal.

Viele Auflagen

Ihn stört aber generell die Vielzahl an Auflagen und Vorschriften. Sein Zugang ist ein anderer: Wenn man behinderte Gäste habe, würden sie von den Mitarbeitern bestmöglich betreut. Beschwerden habe es noch nie gegeben. Ihm sei auch bewusst, dass andere Hotels, vor allem jene, die neu gebaut wurden, für diese Zielgruppe interessanter seien.

Das 2006 im Altstadt gebaute einzige behindertengerechte Zimmer (insgesamt gibt es 45 Zimmer) wird demnach auch nur etwa fünf- bis siebenmal pro Jahr von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen gebucht, wobei Wiesenthal hier auch eigene Fehler einräumt: "Wir waren blöd, dass wir das Zimmer ganz oben, ganz hinten gebaut haben." Weder er noch der Architekt hätten "mitgedacht".

Zuerst Schlichtungsverfahren

Angst vor Klagen nach dem 1. Jänner hat Wiesenthal nicht. Er vertraut auf die Qualität seines Hotels und seiner Mitarbeiter. Möglich sind juristische Schritte allerdings sehr wohl, wobei die Rahmenbedingungen für die Betroffenen nicht ganz einfach sind.

Personen, die sich diskriminiert fühlen, müssen zunächst ein Schlichtungsverfahren beim Sozialministerium beantragen. Nur wenn dieses zu keiner Einigung führt, kann bei Gericht Schadenersatz eingeklagt werden. Das Gericht muss dann prüfen, ob die Beseitigung der Barriere möglich und zumutbar ist. Die Frage der Zumutbarkeit wird von Fall zu Fall beurteilt. Berücksichtigt werden beispielsweise Beseitigungsaufwand, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Kundenfrequenz.

Wenig Judikatur

Wird ein Unternehmen verurteilt, muss der eingetretene Schaden ersetzt werden. Dazu gibt es einen immateriellen Schadenersatz für die erlittene Kränkung. Judikatur dazu gibt es allerdings noch wenig.

Der Neos-Abgeordnete und frühere Präsident der Hoteliervereinigung Sepp Schellhorn übt daher auch Kritik an diesem Prozedere. Er spricht von "Behörden-Super-GAU und der Gefahr von Behördenwillkür durch fehlende Rechtssicherheit". Die Wirtschaftskammer habe es verabsäumt, längere Übergangsfristen auszuhandeln. Zur Erklärung: Bei Gebäuden der öffentlichen Hand gibt es zum Teil Übergangsfristen bis 2040.

Wie viele Gebäude derzeit alle Auflagen erfüllen, traut man sich im Sozialministerium nicht einzuschätzen. Die letzten Zahlen sind ein Jahr alt: Damals ging man davon aus, dass weniger als die Hälfte die baulichen Maßnahmen abgeschlossen haben. (Günther Oswald, 29.12.2015)