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Das Verhältnis des britischen Premiers David Cameron zur Europäischen Union ist schwierig. 2016 wird ein wichtiges Jahr für die Europapolitik Londons.

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Das bevorstehende Jahr, sagt Michael Howard, werde für seine Konservativen "ein sehr schwieriges" werden. Natürlich geht es wieder einmal um Europa: Allgemein wird in London angenommen, dass Premierminister David Cameron die Briten bereits 2016 über ihre weitere Mitgliedschaft im Brüsseler Club abstimmen lässt. Und so rüsten sich Veteranen wie der frühere Parteichef Michael Howard (74) für die bevorstehende Schlacht, in der viele Tories ihrem derzeitigen Boss die Gefolgschaft wohl verweigern werden.

Dass sich die Regierungspartei über das richtige Verhältnis zum Kontinent zerfleischt, sind die Briten seit rund einem Vierteljahrhundert gewohnt. Nun jedoch steuern die Konservativen offenbar auf den Höhepunkt ihres jahrelangen Streits zu, der mit dem Sturz der eisernen Lady Margaret Thatcher 1990 nicht zuletzt über ihren neu entdeckten Europa-Skeptizismus begann.

Thatchers Nachfolger als Premierminister, John Major (1990–1997), versucht dem derzeitigen Amtsinhaber Cameron den Rücken zu stärken: Unabhängig von dessen Neuverhandlungen sei der Verbleib des Landes in der EU "für die ökonomische und militärische Sicherheit" wichtig. Ähnlich hat auch der amtierende Premierminister (49) zuletzt derart häufig argumentiert, dass sich eine Empfehlung Camerons für den von vielen Parteifreunden ersehnten Austritt kaum noch vorstellen lässt. Wer diese Herangehensweise nicht teile, habe im Kabinett nichts verloren, glaubt Major (72).

Schatten der Vergangenheit

Das wiederum rief Howard auf den Plan – einen der EU-Skeptiker in Majors Kabinett, die der damalige Premier in einem unbedachten Moment als "Bastarde" eingestuft hatte. Er habe ja "viel Respekt vor John Major", teilte Howard der BBC mit, aber da müsse er doch widersprechen: Selbstverständlich müssten EU-Feinde auch vom Kabinett aus ihre Meinung kundtun dürfen. Außer dem Sozialminister Iain Duncan Smith, selbst einmal glückloser Tory-Chef, und der Nordirland-Ministerin Theresa Villiers wird noch von mindestens drei anderen Kabinettsmitgliedern vermutet, sie würden lieber heute als morgen den Club verlassen. Ungeachtet der laufenden Verhandlungen haben sich darauf auch die einflussreichen Rechts-außen-Politiker Liam Fox (früher Verteidigungsminister) und Owen Paterson (früher Umweltminister) festgelegt.

Hingegen spricht sich ein weiterer Exparteichef, William Hague, offen für den Verbleib aus. Zur Begründung verweist der Exaußenminister auf die Unterschiede zwischen England und Schottland: Ein Votum für den EU-Austritt könne rasch den Austritt Schottlands zur Folge haben, der ja bei der Volksabstimmung im vergangenen Jahr über den Verbleib bei Großbritannien gerade noch verhindert werden konnte. Tatsächlich lauern die schottischen Nationalisten schon auf die Gelegenheit, einen weiteren Keil zwischen die Regionen zu treiben.

Zwist gibt es auch bei der EU-feindlichen Partei Ukip. Deren Kader streiten seit der Unterhauswahl im Mai eigentlich ununterbrochen wie die Kesselflicker. Der einzige Abgeordnete Douglas Carswell fordert, der Parteichef und Europa-Abgeordnete Nigel Farage solle doch endlich "einem frischen Gesicht" weichen. Die Ukip-Leute streiten wütend wegen der richtigen Taktik vor dem Referendum, Farage und Carswell unterstützen rivalisierende Dachverbände der Neinsager. (Sebastian Borger aus London, 28.12.2015)