Fischer würde keine dritte Amtszeit anstreben. Er sieht sich als Hackler und möchte nicht zum "Superhackler" werden.

Foto: APA/Hochmuth

Wien – Bundespräsident Heinz Fischer empfiehlt den Kandidaten für seine Nachfolge ein Fairnessabkommen im Wahlkampf, sagt er im APA-Interview. 2004 habe sich ein solches Abkommen zwischen ihm und seiner ÖVP-Konkurrentin "bewährt". In der Asylkrise sei eine Obergrenze für Flüchtlinge "nicht praktikabel", das Durchgriffsrecht des Bundes für Asylquartiere sei eine "notwendige und durchdachte Lösung".

"Ja – weil es sich bewährt hat", sagt Fischer auf die Frage, ob er im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf eine Fairness-Vereinbarung empfehlen würde. 2004 hatten Fischer, der für die SPÖ antrat, und die ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner ein entsprechendes Abkommen vereinbart. "Wahrscheinlich ist es, wenn es fünf oder sechs Kandidaten gibt, sogar noch wichtiger, als wenn es nur Fischer und Ferrero-Waldner als Kandidaten gibt, die schon ihrer Natur nach keine Raubeine waren", verweist er auf die zu erwartende höhere Zahl an Bewerbern um das höchste Amt im Staat. "Vom demokratischen Standpunkt her positiv" findet es Fischer, dass es das Wahlrecht durch nicht zu hohe Hürden ermögliche, dass sich nicht nur "zwei oder drei Kandidaten einen Startplatz sichern können" – auch wenn dies in der Regel eine Stichwahl nach sich ziehe.

Fischer lobt Österreich für Bewältigung der Flüchtlingskrise

Im Blick zurück auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise, die das Jahr 2015 dominiert hat, stellt Fischer Österreich grundsätzlich kein schlechtes Zeugnis aus. Niemand könne verlangen, "dass man eine solche komplizierte und schwierige Situation völlig reibungslos und fehlerlos über die Bühne bringen kann". Doch "es steht fest, dass Österreich zu den drei oder vier Ländern gehört, die sich in dieser Frage wirklich positiv unterscheiden von jenen, die wegschauen und möglichst unbelastet diese Krise durchtauchen wollen. Natürlich hat es da und dort tragische, schwierige oder unerfreuliche Situationen gegeben. Aber die Position Österreichs lautet: Wir sind bereit, Mitverantwortung zu tragen und Flüchtlingen aus einer Kriegsregion bestmöglich zu helfen."

Als "wichtigen, klugen Schritt" bezeichnet Fischer auch die Bestellung des Flüchtlingsbeauftragten der Regierung, Christian Konrad. Das Durchgriffsrecht wiederum sei wohl ein "notwendiger Schritt", solange die "gemeinsam vereinbarten Quoten" nicht erfüllt würden: "Das ist in meinen Augen eine durchdachte Lösung." Keinesfalls sinnvoll fände er es, wenn der Bund die Betreuung der Asylwerber wieder ganz in seine Hände nehmen würde. "Das wäre ganz schlecht, weil sich die regionalen Institutionen und vor allem die Bürgermeister einfach bevormundet fühlen würden. Das würde Widerstände auslösen, die das Problem nicht einfacher, sondern schwieriger machen."

Obergrenze: "Menschenrechte nicht auf bestimmte Zahl reduzieren"

In der immer wieder aufflammende Debatte über eine "Obergrenze" für die Aufnahme von Flüchtlingen hat Fischer zwar Verständnis "für einen auf den ersten Blick naheliegenden Gedanken" – betont aber im gleichen Atemzug: Dieser "erweist sich bei genauerem Hinschauen nicht als praktikabel". Denn es gebe einen "grundsätzlichen Widerspruch zwischen einem Menschenrecht und der Festsetzung einer Obergrenze: Ich kann nicht ein Menschenrecht auf eine bestimmte Zahl reduzieren und sagen, alle, die über dieser Zahl liegen, haben Pech gehabt."

Zudem wäre die "fixe Obergrenze" abhängig von variablen Bedingungen, etwa dem Beginn oder Ende eines Krieges. Und schließlich gibt der Bundespräsident auch zu bedenken: "Wenn alle Staaten der EU Obergrenzen festlegen, hört sich jedes Bemühen um gerechte Verteilung auf." Statt über "ziffernmäßige Obergrenzen nachzudenken", müsse daher daran gearbeitet werden, "dass der Flüchtlingsstrom eingedämmt und das Management in Bezug auf Flüchtlinge verbessert wird."

"Menschliches Klima" in Koalition

Fischer will nicht in die Klagen einstimmen, dass die Regierungsparteien vor lauter Streit nichts zusammenbringen. Er erlebe ein "durchaus ordentliches und menschliches Klima" zwischen Kanzler und Vizekanzler, sagt er. Dass zwei Parteien unterschiedliche Positionen ausfechten, sei demokratiepolitisch normal.

Aber eine Koalitionsregierung stehe diesbezüglich unter "besonderer Beobachtung", so Fischer. Beim vorweihnachtlichen Mittagessen mit der Regierung habe er sich von "einer kameradschaftlichen und harmonischen Stimmung" überzeugen können. "Ich kann bezeugen, dass es zwischen dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler gegenseitige Achtung und menschlichen Respekt gibt." Und die beiden seien sich auch bewusst, "dass das Sichtbarmachen von Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit negativ interpretiert wird".

Keine "Österreichische Einheitspartei"

Fischer betont aber, dass SPÖ und ÖVP zwei "sehr unterschiedlichen Parteien sind, die ihre eigenen jahrzehntelangen Traditionen und Positionen haben", für diese ja auch eintreten müssten. "Es ist wohl nicht möglich und vielleicht gar nicht erstrebenswert, immer alles unter der Tuchent zu halten, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt. Darum bin ich da nicht so streng wie vielleicht die Medien und auch die Bevölkerung, denn ich sage: Es ist nicht eine ÖEP, eine Österreichische Einheitspartei. Es sind zwei Parteien, die zusammenfinden müssen."

Fischer stimmt allerdings der Diagnose zu, dass die Regierung so manchen Erfolg nicht optimal kommuniziert habe. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) selbst etwa sprach ja davon, dass man den der Steuerreform "versemmelt" habe. Gewisse PR-Probleme "kann man nicht leugnen", sagt der Bundespräsident dazu. Das gelte vor allem auch für die einzelnen Regierungsmitglieder, wenn diese "medial reüssieren" wollten. Daher auch sein Appell zur "Kommunikation des Gemeinsamen" am Weihnachtstag.

Fischer sieht sich als "Hackler"

Zu kommunizieren wird es kommendes Jahr auch Reformen im Pensionsbereich geben, die Regierung hat sich dafür ja den Stichtag 29. Februar gesetzt. Fischer warnt in diesem Zusammenhang vor einer "Umverteilung in die verkehrte Richtung": "Es darf das Thema Pensionsreform nicht zu einer Umverteilung von den schwächeren Pensionisten zu den höheren Einkommensschichten in unserer Gesellschaft führen. Wenn wir im Budget Sorgen mit zu hohen Ausgaben haben, sollte ein Beitrag zur Dämpfung des Kostenpfades nicht in erster Linie von Pensionisten und soziale Schwächeren eingefordert werden, sondern auch bei Erbschafts- und Vermögenssteuer Vergleichbarkeit mit anderen europäischen Staaten angestrebt werden." Dass das Pensionssystem auch in Zukunft finanzielle Absicherung brauche, sei unstrittig, Richtschnur müsse aber immer soziale Gerechtigkeit bleiben.

Seinem eigenen Ruhestand blickt der Bundespräsident mit Gelassenheit entgegen. Nein, er bedauere es nicht, dass die Verfassung nur zwei sechsjährige Amtszeiten erlaube, betont er auf die entsprechende Frage. "Ich glaube, dass das eine gescheite Regelung ist. Und in meinem Alter eine doppelt gescheite Regelung ist. Denn in meinem Fall würde eine dritte Amtsperiode vom 78. bis zum 84. Jahr reichen." Er sei im Bereich der Politik längst ein "Hackler", da er schon "54 anrechenbare Dienstjahre" habe – "davon 42 in mit großen Belastungen verbundenen Spitzenpositionen", nämlich Klubobmann, Minister, Nationalrats- und schließlich Bundespräsident. "Dann darf man in Pension gehen, denn ich muss und will ja kein Superhackler werden." (APA, 27.12.2015)