Arie Folger wird ab 1. September 2016 Oberrabiner in der Israelitischen Kultusgemeinde.

Foto: Robert Newald

Um in Wien Oberrabbiner zu werden, muss man erst einmal Wiener sein und dann Rabbiner einer Wiener Synagoge. Arie Folger ist weder noch. Aber er wird im kommenden Jahr eines nach dem anderen werden.

Der in Antwerpen in eine traditionell orthodoxe Familie geborene Folger ist es gewohnt, sich neuen Umgebungen und anderen jüdischen Gemeinden anzupassen. Mit seinen 41 Jahren hat er schon fünf Jahre in der jüdischen Gemeinde in Basel, dann in München und zuletzt quasi Teilzeit in Karlsruhe und Frankfurt als Rabbiner gewirkt. Am Montag hat die Kultusgemeinde (IKG) beschlossen, Folger nach Wien zu berufen, wo er zuerst in einer Gemeinde tätig sein wird und wohl zu den jüdischen Feiertagen im Herbst die derzeit von Paul Chaim Eisenberg gehaltene Stelle als Oberrabbiner der rund 7000 Wiener Juden, der bei weitem größten jüdischen Gemeinde Österreichs, antreten kann.

Im Frühsommer plant Folger die Übersiedlung mit seiner amerikanischen Ehefrau und den sechs Kindern von Straßburg nach Wien. Man erwartet von ihm, dass er seine internationale Erfahrung in die Betreuung der Mitglieder einbringt, um das Gemeindeleben zu bereichern.

Diese Internationalisierung entspräche auch der Veränderung in der Zusammensetzung der jüdischen Gemeinde in Wien, heißt es – dabei kommt Folger zugute, dass er in den USA neben dem Rabbinats- auch ein Wirtschaftsstudium absolviert hat, was ihn auch in seiner Tätigkeit als Glaubensmittler in Marketingkategorien denken lässt: "Jude zu sein ist, eine Art Priester für die Welt zu sein, der hoffentlich, seine Vorbildfunktion ernst nimmt und erfüllt."

Dass er als Publications Director des Amerikanischen Rabbinerverbands nicht unumstritten war, dürfte bei der Wahl weniger ins Gewicht gefallen sein.

Als Muttersprache gibt Folger Jiddisch an; diese alte Minderheitensprache wurde in seiner Familie gesprochen, Niederländisch lernte er in der Schule, in englischer Sprache publiziert er einen Teil seiner religiösen Schriften – und auf Deutsch schreibt er einen Blog, in dem er Fragen des jüdischen Glaubens auch für Nichtjuden verständlich zu machen versucht und die Orthodoxie verteidigt. Folger gilt als eiserner Verfechter der israelischen Anliegen und hat sich immer wieder scharf dagegen gewandt, dass die europäische Öffentlichkeit den palästinensischen Terror gegen Israel kaum noch registriert. (Conrad Seidl, 24.12.2015)