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Kindergärten unterstehen jetzt hauptsächlich den Ländern und Gemeinden. Einheitliche Standards und Kontrollen fehlen.

Foto: Reuters / Kai Pfaffenbach

Wien – Sie sind diejenigen, die aus erster Hand wissen, was in den österreichischen Kindergärten wirklich los ist: die Kindergartenpädagoginnen. Vieles von dem, was jetzt in der Debatte um islamische Kindergärten bekannt wurde, hätte man auch von den Expertinnen in den Kindergruppen erfahren können. Nur die wurden bis jetzt nicht wirklich gehört. Laut einer von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) beauftragten Vorstudie gibt es einige islamische Kindergärten mit Abschottungs- und Missionierungstendenzen.

Nun fühlt sich die Vorsitzende des Österreichischen Berufsverbands der Kindergarten- und HortpädagogInnen, Raphaela Keller, vom Integrationsexperten Kenan Güngör bestätigt. Dieser plädierte im STANDARD-Interview dafür, die Kindergärten, für die derzeit Länder und Gemeinden auf ihre Art zuständig sind, generell in die Kompetenz des Bundes und in das Bildungsministerium zu überführen: "Dann kann man mit einer anderen Grundhaltung bildungspädagogische Standards und Kontrollen entwickeln."

Mindestanforderungen für alle

"Wir fordern das seit 1999, weil wir einheitliche Mindestanforderungen und Qualitätsstandards brauchen", sagt Keller: "Der Bund müsste mit regionalen Expertinnen und Experten arbeiten, denn es ist natürlich ein Unterschied, ob ich einen Kindergarten in einem Vorarlberger Bergdorf oder in der Großstadt Wien habe."

"Wissen, was da abrennt"

Was Wien anlangt, berichtet die Vertreterin der Elementarpädagoginnen, dass die Berufsgruppe "schon lang – auch mit dem früheren Stadtrat Christian Oxonitsch – besprochen hat, dass fremdsprachige Kindergruppen aus dem Boden schießen und einfach bewilligt werden. Es gehören alle Kindergärten, egal von welchem Träger, offen und unangekündigt kontrolliert, auch mit sprachkundigen Kontrolleuren, die merken, was da abrennt. Ich muss wissen, was auf einem arabisch, französisch oder in welcher Sprache auch immer beschrifteten Plakat im Kindergarten steht. Und wenn wir den Erwerb der deutschen Sprache im Kindergarten ernst nehmen, dann muss das Plakat dort auch auf Deutsch hängen."

Guter Bildungsplan, aber keine Pflicht

Jedenfalls seien einheitliche Standards für pädagogische, strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen dringender denn je nötig. Es gebe zwar einen österreichweiten Bildungsplan, der auch "wirklich gut ist", aber: "Der ist nicht verpflichtend, nur für die Förderungen notwendig."

Zudem brauche es einen "einheitlichen bundesweiten Strukturrahmenplan, der Gruppengrößen, Kinder-Pädagoginnen-Relation oder Weiterbildung verbindlich vorschreibt", fordert Keller.

Sozialpartner und IV für Bund

Erst im September dieses Jahres sprachen sich übrigens die Sozialpartner und die Industriellenvereinigung in einem gemeinsamen Forderungsprogramm für eine "Änderung der Bundesverfassung mit einer Kompetenzverlagerung zum Bund" aus. Es gehe um einen "Bildungsauftrag", und der Bund müsse über das Bildungsressort dafür auch Verantwortung wahrnehmen, "wie das in fast allen EU-Staaten die Regel ist".

Ministerien zurückhaltend

Die politischen Adressaten der Forderung nach Neuorganisation der Kindergartenzuständigkeit reagierten zurückhaltend. Aus dem Integrationsministerium hieß es zur Forderung Güngörs, der auch Mitglied im Expertenrat der Regierung für Integration ist: "Die Frage der Kompetenzen ist für uns nicht ausschlaggebend."

Für das Bildungsressort unter Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) stehen in Sachen Kindergarten derzeit "die Attraktivierung des Berufs, die teilweise Tertiärisierung der Ausbildung der Leiterinnen, der bundeseinheitliche Qualitätsrahmenplan und die Modernisierung der Lehrpläne im Vordergrund". (Lisa Nimmervoll, 23.12.2015)