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Ein deutscher Kampfjet der Type Tornado landet am Nato-Stützpunkt Incirlik, rund zwölf Kilometer östlich von Adana im Süden der Türkei.

Foto: Reuters / Umit Bektas

STANDARD: Auch deutsche Soldaten beteiligen sich nun am militärischen Kampf gegen den IS in Syrien. Ist Deutschlands Hilfe militärisch wichtig, oder ist sie eher symbolisch zu sehen?

Mölling: Seit einigen Tagen sind deutsche Tankflugzeuge im Einsatz, auch die Fregatte ist beim französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle im Mittelmeer eingetroffen. Ab Januar wird sich die Bundeswehr dann mit Tornados an Aufklärungsflügen beteiligen. Das alles ist eine kleine militärische Hilfe, aber eine mit wichtiger politischer Symbolik. Insgesamt sind 1200 deutsche Soldaten im Einsatz. Zum Vergleich: Frankreich stellt 3500 Kräfte.

STANDARD: Die Deutschen hielten sich lange zurück, erst nach den Pariser Terroranschlägen vom 13. November sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel Frankreich militärische Hilfe zu. Hat Sie der Schwenk der Kanzlerin überrascht?

Mölling: Nein, und ich glaube auch nicht, dass die Bundeskanzlerin unüberlegt gehandelt hat. Als sie dem französischen Staatspräsidenten François Hollande nach den Attentaten volle Solidarität Deutschlands zusagte, war ihr klar, dass nun bald etwas von Paris abgefragt wird. Merkel vollzieht jetzt das, worüber in Deutschland seit zwei Jahren debattiert wird – nämlich dass Deutschland mehr Verantwortung übernehmen solle in der Welt. Dafür haben sich Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ja bereits ausgesprochen.

STANDARD: Merkel selbst war diesbezüglich eher zurückhaltend.

Mölling: Die Vorgehensweise ist ja typisch für Merkel. Sie lässt erst einmal die anderen diskutieren, wartet selbst ab – und entscheidet dann ohne großes Pathos erst später. Sie konnte bezüglich des Kampfes gegen den IS in Syrien aber auch davon ausgehen, dass Paris nichts verlangt, was die Deutschen nicht liefern wollen. Und die Franzosen hatten ziemlich große Gewissheit, dass in dieser Situation Deutschland zügig handeln würde.

STANDARD: Rückt Deutschland jetzt stärker in den Fokus von islamistischen Terroristen?

Mölling: Nein. Deutschland ist seit Jahren im Fadenkreuz der Terroristen, weil die Bundesrepublik eben auch Teil des westlichen Abendlandes ist. Aber während es in London, Madrid und Paris in den vergangenen Jahren verheerende Anschläge gab, blieb Deutschland verschont, weil hier Attentate misslangen oder aufflogen, als sie noch im Stadium der Planung waren.

STANDARD: SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bereits Anfang Dezember am SPD-Parteitag erklärt, sollten deutsche Soldaten im Rahmen eines Bodentruppeneinsatzes nach Syrien gehen, müssten darüber in der SPD die Mitglieder entscheiden. Ist es nicht viel zu früh für derlei Überlegungen?

Mölling: Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Vereinigten Staaten für einen Einsatz von Bodentruppen in Syrien entscheiden, da sie in dieser Region – neben dem Irak und Afghanistan – nicht noch einen weiteren Kriegsschauplatz eröffnen wollen. Undenkbar ist auch ein regionales Bündnis aus saudi-arabischen und iranischen Truppen. Bodentruppen sind für die Deutschen auch eine klare rote Linie, das ist einfach ein Tabu. Da wäre der Widerstand der Bevölkerung in Deutschland viel zu groß.

STANDARD: Aber in Mali werden sich die Deutschen auch mit Bodentruppen beteiligen.

Mölling: Dieser Einsatz ist der Bevölkerung hingegen vermittelbar, weil es ein UN-Mandat gibt. Dabei ist diese Aufgabe für die deutschen Soldaten viel gefährlicher als der jetzige Einsatz in Syrien. Aber über Mali wird gar nicht groß diskutiert in Deutschland, weil sich alle mit Syrien beschäftigen.

STANDARD: Und wenn es für Syrien doch auch ein Mandat der Vereinten Nationen gäbe?

Mölling: Eine UN-Resolution mit einem Mandat für einen Waffenstillstand, der durchgesetzt werden soll, wäre die einzige Voraussetzung, unter der die Deutschen bereit wären. Aber davon sind wir ja zurzeit noch Lichtjahre entfernt. (Birgit Baumann, 23.12.2015)