Einst mit deutlicher Mehrheit ins Amt gewählt, wächst in Südafrika die Kritik an Präsident und ANC-Chef Jacob Zuma.

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Die Protestwelle gegen den amtierenden südafrikanischen Präsidenten und Vorsitzenden des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Jacob Zuma, hält weiter an: Besonders auf Twitter vereint die #ZumaMustFall-Kampagne immer mehr Menschen gegen den Regierungschef, der in ihren Augen das mächtige Industrieland in eine tiefe Krise gestürzt hat.

In der Vorwoche waren tausende Südafrikaner aller Hautfarben auf die Straßen gegangen, um den Rücktritt des 73-jährigen Politikers zu fordern. Der Präsident sei eine Zumutung, meinen viele Südafrikaner schon des Längeren. Dass er mit einer nicht nachvollziehbaren Minister-Rochade in der vergangenen Woche das Vertrauen der internationalen Investoren verspielt hat, lässt ihn jedoch nun zur Belastungsprobe für das ganze Land werden.

Finanzminister gefeuert

Zuma, seit 2009 im Amt, hatte zunächst den für seine Sparsamkeit bekannten Finanzminister Nhlanhla Nene ohne Angabe von Gründen gefeuert. An seiner Stelle setzte er den wenig erfahrenen David van Rooyen ein. Die Finanzmärkte reagierten mit Panik. Der ohnehin schon geschwächte südafrikanische Rand rutschte innerhalb von 24 Stunden auf einen Tiefstand ab. Binnen zwei Tagen verlor die Währung rund zwölf Prozent gegenüber dem Euro. Das Land machte Verluste in Milliardenhöhe an der Johannesburger Börse.

Rückkehr von Gordhan

Präsident Zuma beugte sich dem öffentlichen Druck und holte, auch auf drängendes Anraten verschiedener Banker der Goldman Sachs Group und Barclays Bank in Südafrika, den beliebten ehemaligen Finanzminister Pravin Gordhan ins Amt zurück. Dieser hatte in den Jahren von 2009 bis 2014 das Land durch die erste große Rezession in 17 Jahren gesteuert.

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David van Rooyen (links) wurde von Jacob Zuma eingesetzt ...
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Jetzt versprach Gordhan als neu ernannter Finanzminister den verunsicherten Südafrikanern und Investoren, dass die Regierung die Sorgen der Ratingagenturen ernst nehme und für ein solides Finanzmanagement sorgen werde. Die Währung erholte sich sofort. Nach der Ernennung von Gordhan legte der Rand zumindest um gut sechs Prozent wieder zu. Aber die Zweifel an der politischen Führung sind geblieben.

Hohe Arbeitslosigkeit

Die Turbulenzen an der Spitze des Finanzministeriums erfolgen zu einer Zeit, da die südafrikanische Wirtschaft ohnehin am Rande der Rezession steht. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 25 Prozent, Angesichts schwacher Wirtschaftszahlen zeigen sich Ratingagenturen skeptisch hinsichtlich südafrikanischer Staatsanleihen. Fitch etwa sieht die Kreditwürdigkeit Südafrikas nur noch knapp vor Ramsch-Niveau.

... und wenig später durch Pravin Gordhan ersetzt.
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Preisverfall bei Rohstoffen

Die Wirtschaft des Landes leidet zudem unter dem Preisverfall der Rohstoffe. Der Bergbausektor, mit einem Anteil von 11,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wichtiges Standbein der Wirtschaft, ist häufig von Streiks betroffen. Ein gutes Drittel der Exporterlöse beruht auf dem Verkauf von Rohstoffen. In den Bergwerken der Gold-, Kohle- und Platinminen waren im Vorjahr rund 390.000 Menschen beschäftigt, darunter viele mit mangelnder Schulbildung.

Das Land mit rund 55 Millionen Einwohnern ist nach Nigeria die zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents und einziges afrikanisches Mitglied der G20. Im regionalen Vergleich weist es eine gute Infrastruktur auf, der Finanzsektor bewegt sich auf Weltniveau, in Teilbereichen verfügt es über exzellente Wissenschafter sowie über ein verlässliches und unabhängiges Rechtssystem.

Erbe der Apartheid

Andererseits ist das Erbe der Apartheid trotz vieler Fortschritte noch nicht überwunden. Ein Großteil der schwarzen Bevölkerungsmehrheit lebt weiterhin in Armut. Die Hälfte der Jugendlichen ist arbeitslos. Viele Menschen haben nach wie vor keinen Zugang zu Elektrizität, Wasser oder Krankenversorgung.

Die führende Regierungspartei ANC strebt zwar eine Verringerung der sozialen Probleme in der Gesellschaft an, wird aber seit Zumas Amtsantritt erheblich von politischen Korruptionsskandalen beeinträchtigt. Der schwache Führungsstil Zumas gipfelte nun in der Finanzminister-Rochade vergangener Woche.

Stegreiftheater

Das sei keine Politik, sondern Stegreiftheater, kritisierte der politische Kommentator Tom Lodge, der seit vielen Jahren an der Witwatersrand-Universität von Johannesburg lehrt. "Menschen verlassen Südafrika in beträchtlicher Zahl, aber die Kapitalflucht ist in Summe noch viel schädigender." Die Opposition warf Zuma vor, "russisches Roulette mit Südafrikas Wirtschaft zu spielen", wie es Mmusi Maimane von der Demokratischen Allianz formulierte.

Die Kritik an Zumas Politik, aber auch seinem Lebensstil, ist vielseitig. Vor kurzem wurde bekannt, dass der Präsident sich nach einem neuen, teuren Privatjet umschaue. Ärger gab es über den geplanten Bau von neuen nuklearen Kraftwerken mit Gesamtkosten von bis zu 100 Milliarden Dollar, die kaum zu finanzieren sind.

Korruption grassiert

Pläne, gegen die sich Exfinanzminiser Nene ebenso mit Vehemenz stemmte. Dass Nene auch noch die Chefin der staatlichen South African Airlines, Dudu Myeni, wegen einer geplatzten Bestellung von zehn Airbus-Maschinen in die Schranken wies, dürfte ihn schließlich den Posten gekostet haben. Myeni gilt als Zuma-Vertraute.

"Das Land leidet seit langem an inkompetenten Ministern und Angestellten, die extrem bestechlich und korrupt sind", sagt Lodge. Das Misstrauen gegen Zuma in der Bevölkerung wächst. Der ANC hat dem Präsidenten nach den jüngsten Vorkommnissen sein vollstes Vertrauen ausgesprochen. "Zuma ist fähig, dieses Desaster zu überleben", sagt Lodge. Seine politische Karriere in den vergangenen 15 Jahren zeuge davon, dass er ein Überlebenskünstler sei.

Zumas Amtszeit endet 2019. Die Regierungspartei des ANC wählt ihren neuen Präsidentschaftskandidaten erst 2017. Aber die Machtkämpfe innerhalb Mandelas ehemaliger Befreiungsbewegung sind enorm, und selbst die Jasager und Anhänger von Jacob Zuma werden zunehmend unzufriedener. (Martina Schwikowski aus Johannesburg, 21.12.2015)