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Emmanuelle Charpentier (links) und Jennifer Doudna gelten als aussichtsreiche Nobelpreiskandidatinnen für die Entdeckung von CRISPR/Cas9.

Foto: REUTERS/Eloy Alonso

Wien – Experten meinen schon seit längerer Zeit, diese Entdeckung würde eine neue Revolution in der Medizin ermöglichen. Eine wissenschaftliche Sensation ist sie schon: das molekulare System CRISPR/Cas9, mit dem Forscher in der Lage sind, defekte durch korrekte DNA-Teile zu ersetzen und neue Gensequenzen einzufügen, ermöglicht Genmodifizierungen an lebenden Organismen wie Mäusen in kurzer Zeit und deutlich kostengünstiger als bisher.

Seit die wahrscheinlich wichtigste Arbeit zum Thema 2012 im Fachmagazin "Science" erschienen ist, überschlagen sich die Ereignisse. Ob Malaria-Mücken, die damit genetisch modifiziert, unfruchtbar und dezimiert wurden, Sandhüpfer und Flohkrebse, deren genetischer Bauplan damit schnell entschlüsselt werden kann, oder die Erkenntnis, dass das System Gentherapien für Menschen steuern und damit effizienter machen kann: Der Stapel an Aussendungen über aktuelle Studien ist hoch. Schon hofft man, damit Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes heilen zu können. Man spricht von einem "Wunderding". Kein Wunder also, dass "Science" in seiner aktuellen Ausgabe das molekulare Werkzeug als wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres 2015 noch einmal auf das Podest hebt.

Zu diesem Anlass muss man aber noch einmal seine Entwicklungsgeschichte und eine große ethisch-moralische Diskussion über seine Verwendung in Erinnerung rufen: Maßgebliche Forschungsarbeiten dazu lieferten die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und die US-amerikanische Systembiologin Jennifer Doudna und ihre jeweiligen Teams. Charpentier, seit kurzem Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, war auch Gruppenleiterin an den Max F. Perutz Laboratories in Wien. Kritiker sagen heute, man hätte sehen müssen, welches Potenzial in ihr steckt, und sie nicht ziehen lassen dürfen – damals nach Schweden.

Kandidaten für den Nobelpreis

Heute gilt sie neben Doudna als aussichtsreiche Nobelpreiskandidatin für diese "wichtigste Entdeckung seit Beginn des Biotech-Zeitalters" ("Technology Review"). Aber auch der Neurowissenschafter Feng Zhang vom Broad Institute des MIT in Cambridge bei Boston darf sich Hoffnungen machen: Seinem Team gelang es laut einer Aussendung zuletzt, CRISPR/Cas9 zu optimieren und mögliche auftretende Fehler auszuschließen. Er streitet mit Doudna und Charpentier auch um die Patentrechte auf das Werkzeug.

Die Französin betonte oft, mit CRISPR/Cas9 nicht in den Embryo eingreifen zu wollen. Prinzipiell ist eine gentechnische Veränderung in diesem Entwicklungsstatus nämlich möglich – wie Chinesen in einem aufsehenerregenden Projekt im Frühjahr dieses Jahres aufzeigten. Sie reparierten damit einen Defekt, der zur Bluterkrankheit Beta-Thalassämie führt. Hauptautor Junjiu Huang wurde soeben vom Fachmagazin "Nature" in die Top Ten der Forscher gewählt, die 2015 wichtige Arbeiten vorlegten. Er soll seine Arbeit auch als Warnung vor missbräuchlicher Verwendung von CRISPR/Cas9 sehen. (pi, 17.12.2015)