In Landwirtschaftszentrum Valle del Mezquital lässt sich das Wasser eines Kanals unter einer dicken Schaumdecke nur noch erahnen.

Foto: Lisa Hagen

Maria Peña lebt am Rande von Mexiko-Stadt ohne fließendes Wasser.

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Wenn der Donner grollt und die ersten Tropfen auf den Betonboden klatschen, schnappt sich María Peña Kübel und Wanne, eilt nach draußen und fängt den Regen ein. Wenn die Sonne scheint und der Wasserschlauch seit Tagen trocken bleibt, geht sie – einen Kübel links, einen rechts – bis zu zehnmal zu ihrer Nachbarin, um Wasser für ihre achtköpfige Familie zu holen.

María Peña wohnt in Topilejo, eines der vielen armen Dörfer am Rande von Mexiko-Stadt. Fließendes Wasser hat sie nicht, aus einem Loch im Hof windet sich ein Gummischlauch. An manchen Tagen hat sie Glück und kann das unterirdische Wassernetz anzapfen. Doch meistens muss sie warten, bis die Regierung Tankwagen schickt, die ihre Tonnen füllen.

Topilejo ist über die Jahre gewachsen. "Die Tankwagen reichen schon lange nicht mehr für alle, da ist der Streit vorprogrammiert", sagt María Peña. Sie kommt mit 20 Litern Wasser pro Tag durch. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch in der Hauptstadt beträgt jedoch 300 Liter pro Tag. "Die Reichen drehen den Hahn auf und wischen damit den Boden. Und wir?", fragt Peña.

Mexikos Situation könnte nicht widersprüchlicher sein: Vor mehr als 500 Jahren erbauten die Azteken auf einer Insel die damals größte Stadt Amerikas: Tenochtitlán. Kanäle verbanden die Inseln miteinander und Dämme schützten sie vor Überschwemmungen während der Regenzeit. Dann kamen die Spanier und legten den See trocken, damit die Stadt wachsen konnte. Heute fragen sich die Bewohner, wie es sein kann, dass eine auf Wasser erbaute Stadt kurz vor dem Verdursten steht.

Grundwasserspiegel sinkt

In der 23-Millionen-Einwohner-Metropole gibt es zu wenig Wasser für zu viele Menschen und umgekehrt zu viel Abwasser für eine unzureichende Infrastruktur. Die Hälfte des Trinkwassers wird aus Quellen und Speicherseen über hunderte Kilometer in die Megametropole geleitet. Die andere Hälfte stammt aus dem unterirdischen Grundwasserspeicher, der die Stadt nur noch wenige Jahre versorgen können wird. Pro 1000 Liter, die nach oben gepumpt werden, fließen nur 500 Liter nach. Die Bohrungen werden jedes Jahr tiefer. So ist die Kathedrale, eines der Wahrzeichen der Stadt, seit ihrer Erbauung um fast 13 Meter gesunken.

Experten und Regierung sind sich einig: Die Krise wird kommen. Schon jetzt leben 1,25 Millionen Personen ohne fließendes Wasser. Rund eine weitere Million Personen erhalten Wasser nur in unregelmäßigen Abständen. Dementsprechend scheint es schlicht verrückt, dass pro Sekunde 12.000 Liter in Rohrrissen versickern. Das sind 40 Prozent des Wassers, das teuer auf 2200 Meter Höhe nach Mexiko-Stadt gepumpt werden muss.

Experten empfehlen die Klärung von Abwässern. Bisher passiert das bei gerade einmal 13 Prozent, der Rest fließt mitsamt den Industriechemikalien in den Nachbarstaat Hidalgo. Dort landen sie im Valle del Mezquital, eines der Landwirtschaftszentren des Landes, von dem jeden Tag Tonnen an Obst und Gemüse nach Mexiko-Stadt geliefert werden. "Die schicken uns die Scheiße, und wir schicken sie ihnen in Gemüse verpackt zurück", sagt Francisco Luna, ein Professor an der örtlichen Universität.

Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Abwässer hohe Mengen an Schwermetallen wie Blei oder Kadmium aufweisen. "Viele Menschen hier im Tal leiden an Haut- und Atemwegserkrankungen, von Krebs ganz zu schweigen", sagt Luna.

Die Lösungen des Wasserproblems von Mexiko-Stadt sind seit mehr als drei Jahrzehnten bekannt: Bau von Kläranlagen, höhere Wasserpreise, Senkung des Pro-Kopf-Konsums, Reparatur der Leitungen und Rohre sowie eine bessere Verwaltung. Der aktuelle Regierungschef der Hauptstadt, Miguel Ángel Mancera, will schon bald einen langfristigen Plan auf den Weg bringen, um die Krise abzuwenden. Dass das nicht schon längst geschehen ist, liegt an den ehemaligen Regierungschefs, die nicht investieren wollten, weil "nicht sie selbst, sondern ein Nachfolger die Lorbeeren dafür ernten würde", sagt der Leiter des Wasseramts Aguirre.

In Topilejo ist für María Peña endlich der große Tag gekommen: Heute wird sie unabhängig vom Wasserschlauch im Boden, der Regierung und ihren Wassertanks. Heute bekommt sie endlich ihr Regenwasserauffangsystem. "Während der Regenzeit müsst ihr nicht mehr sparen", verspricht ein Handwerker der Familie. (Lisa Hagen, 16.12.2015)