Wien – Die Klimaschutzbewegung "System Change, not Climate Change!" sieht in dem in Paris beschlossenen Weltklimavertrag kein wirksames Instrument gegen die zunehmende Umweltverschmutzung. Am Mittwoch betonten die Organisationen Fian, Attac und Via Campesina bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass sie den Kompromiss der Staatengemeinschaft als zu schwach betrachten. "Es gibt keine einklagbaren Sanktionen und keine konkreten Maßnahmen", sagte Brigitte Reisenberger von Fian. Das globale 1,5-Grad-Ziel sei vielmehr mit dem Vertrag in weite Ferne gerückt.

Nach aktuellen Berechnungen werden die freiwilligen Klimaschutzzusagen der Länder (INDCs) noch zu einer Erderwärmung von 2,7 bis 3,7 Grad Celsius führen. Nur eine rasche Nachschärfung der Ziele kann die Zwei-Grad-Grenze realisieren. Doch erst 2023 wird das erste Mal eine Begutachtung der Fortschritte in den einzelnen Ländern erfolgen. Gültig ist der Vertrag zudem erst ab 2020. Dann wird der CO2-Ausstoß, der zu einer 1,5-Grad-Erwärmung führen wird, aber bereits erreicht sein. Das Ziel, ab 2050 ein Gleichgewicht zwischen CO2-Ausstoß und -Bindung herzustellen, sei damit völlig unkonkret, sagt Reisenberger: "Das Abkommen öffnet auch für jene Länder, die am meisten emittieren, die Möglichkeit, sich über Marktmechanismen aus ihrer Verantwortung freizukaufen."

"Fossile Energieträger" fehlen in Abkommen

Attac-Obfrau Alexandra Stricker kritisierte in diesem Zusammenhang, dass der Begriff "fossile Energieträger" nicht ein einziges Mal im Text vorkommt. Sie betonte, dass im Freihandelsabkommen TTIP diskutiert wird, dass es Investorenrechte geben soll: "Im Gegensatz zum Klimavertrag ist es hier offenbar kein Problem, Sanktionen festzusetzen."

Nationalstaaten treiben zudem globale Handelsabkommen wie TTIP, Ceta oder Tisa voran, die den Güterhandel ausweiten und Dienstleistungen weiter liberalisieren. Das werde zu noch mehr Emissionen führen, so Stricker.

Menschenrechte fehlen

Reisenberger kritisierte die fehlende Diskussion über Menschenrechte im Klimavertrag. In einer Präambel wird lediglich empfohlen, die Menschenrechte "in Betracht zu ziehen". Leidtragende des Klimawandels sind jedoch Bevölkerungsgruppen wie Indigene, Fischer, Kleinbauern und Nomaden, die meist von Verhandlungen ausgeschlossen sind. Viele Projekte mit grünem Label würden zudem zu Vertreibungen führen. Als Beispiel nennt sie Sierra Leone, wo Menschen für den Anbau von Agrartreibstoffen von fruchtbarem Land vertrieben werden.

Politikwissenschafter Ulrich Brand von der Uni Wien sprach in diesem Zusammenhang die Machtfrage an. Denn um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssten mindestens 80 Prozent der fossilen Energieträger im Boden bleiben. Diese enormen Profitinteressen würden auch die internationale Klimapolitik bestimmen. "Um diese erfolgreich zu ändern, müssten sich die Regeln und Grundsätze der Weltwirtschaft nach den Klimazielen richten – und nicht umgekehrt", so Brand. (Julia Schilly, 17.12.2015)