Wien – Wenn der gelbe Sternenteppich in der Weite des Alls verschwunden ist, kann das Spektakel endlich losgehen. Dann kann eine Erzählung fortgeschrieben werden, die gern als Saga bezeichnet wird, weil sie sich seit Jahrzehnten unaufhörlich fortpflanzt. Doch diese kurze Vorgeschichte, mit der jedes neue Kapitel beginnt und die sich irgendwo im fernen Schwarz verliert, führt einen zwar in neue Dimensionen, nicht aber in neue Welten. Im Gegenteil: Am Ende landet man in einem bekannten Universum, aus dem es kein Entkommen gibt. Oder, wie es in der von George Lucas als Abschluss gedachten "Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter" (1983) hieß: "You cannot escape your destiny. You must face Darth Vader again."

Aber es geht nicht nur um das Schicksal, sondern auch um das Geschäft, weshalb sich nicht wenige seit Wochen auf den siebenten Teil der Serie, "Star Wars – Das Erwachen der Macht" ("Star Wars – The Force Awakens"), vorbereiten. Oder besser: vorbereitet worden sind, denn im Grunde warten Millionen Kinobesucher hier weniger auf einen neuen Film als auf das Wiedererleben einer spezifischen, angeblich einzigartigen Kinoerfahrung.

Lucasfilm/Disney

Der Schatten, der sich zu Filmbeginn bedrohlich über einen weißen Planeten schiebt, nimmt diese Erfahrung vorweg: Die dunkle Macht, die sich nun "First Order" nennt, ist wieder auf dem Vormarsch. Ein Pilot der Rebellen (Oscar Isaac) bekommt eine geheimnisvolle Sternenkarte überreicht, die den Weg zum verschollenen Jedi-Urgestein Luke Skywalker weisen soll. Ein dramaturgisch kaum zu rechtfertigender Hoffnungsschimmer, aber ein hervorragender Vorwand für eine mehr als zwei Stunden dauernde Verfolgungsjagd an unterschiedlichen Schauplätzen mit unterschiedlichen Schauwerten.

Star Wars Deutschland

Bezeichnenderweise ist das Erwachen des Bösen für die Rebellen ein böses Erwachen: Nicht langsam oder gar aus dem Verborgenen dräut die Gefahr, sondern sie schlägt gleich in den ersten Minuten in voller Stärke und Grausamkeit zu. Und mit dem baldigen Auftritt des Nachfolgers von Darth Vader, Kylo Ren (Adam Driver), hat das Imperium ein neues Gesicht, das sich aber vorerst noch hinter seiner schwarzen Maske versteckt. "Das Erwachen der Macht" hat, das ist ziemlich rasch ersichtlich, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, und das wiederum gelingt diesem Film am besten, wenn er wie ein schweres Schlachtschiff immer den Kurs beibehält.

Immer geradeaus

Entsprechend geradlinig gerät auch die Erzählung, die Regisseur J. J. Abrams, vom deutlich wendigeren "Star Trek"-Universum übergelaufen, als eine Aneinanderreihung von Scharmützeln inszeniert. Rasch formiert sich eine kleine Heldentruppe für die große Aufgabe. "Why are you helping me?", fragt der desertierte Sturmtruppler Finn (John Boyega), dessen weiße Panzerung den fühlenden Menschen in ihm nicht länger einsperren kann, die junge Ray (Daisy Ridley), die sich bald als kühne Kriegerin erweist. "Because it's the right thing to do", lautet ihre bestechend einfache Antwort. Hier ist keine Zeit für psychologischen Firlefanz.

Lucasfilm/Disney

"Das Erwachen der Macht" wirkt wie ein einziges populärkulturelles Sammelbecken, das seicht genug ist, dass niemand darin ertrinken kann. Bemerkenswert sind allenfalls die Gewandtheit und die Genauigkeit, mit der die unterschiedlichen Verweise und Versatzstücke platziert sind. Ob die angreifenden Raumschiffe heranschwirren wie die Helikopter in "Apocalypse Now" oder ein Laserschwert im Eis feststeckt wie Excalibur im Stein: "Das Erwachen der Macht" ist ein Film, den man schon gesehen hat, bevor man im Kino war. Das entspricht der Logik eines B-Movies aus den 1940er-Jahren – allerdings mit einem Budget von 200 Millionen Dollar.

Auferstehung der Alten

Das Aufeinandertreffen der alten Galionsfiguren Han Solo (Harrison Ford) und Leia (Carrie Fisher) ist deshalb nicht nur eine nostalgische Auferstehung inklusive selbstironischer Bemerkungen über modische Frisuren und Herrenjacken, sondern zugleich eine Fortschreibung des Mythos und dessen Weitergabe an die nächste Generation – sowohl auf der Leinwand als auch im Kinosaal. Der nach wie vor abgehalfterte Weltraumcowboy Solo, den der stoppelbärtige Ford als sympathischen Griesgram anlegt, geht in der finalen Schlacht denn auch das größte Risiko ein: keine Luftschlacht in der für "Star Wars" typischen Fluchtpunkt-Perspektive und kein Aufleuchten eines roten Laserschwerts ist gefährlicher als der Versuch, eine Vaterfigur sein zu wollen.

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So direkt dieser Film auf sein Ende zusteuert, das zugleich den Beginn der nächsten Episode markiert, so abgeschlossen ist sein Kosmos. Natürlich nicht als Blockbuster, dessen Verwertungsmaschinerie seit Jahrzehnten unermüdlich in Betrieb ist und mit jeder neuen Episode heißläuft. Sondern vielmehr in seiner philosophischen Enge: Hier gibt es keine Suche nach neuen Grenzen, die die Helden auf sich selbst zurück- und Fragen nach der eigenen Existenz aufwirft. So unendlich groß das Universum auch sein mag, jenes von "Star Wars" ist so klein wie ein Wohnzimmer. Hier wie dort hat man es sich gut eingerichtet. (Michael Pekler, 16.12.2015)