Neunkirchen/Semmering/Wien – Alliance for Nature und die Bürgerinitiative "Stopp dem Bahn-Tunnelwahn!" haben die ÖBB Infrastruktur AG wegen aus ihrer Sicht illegaler Bautätigkeiten beim Semmering-Basistunnel (SBT) angezeigt. Dies geht aus einem Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft (BH) Neunkirchen hervor, das der APA vorliegt. Die ÖBB dürfen weiterbauen, sagte dazu Neunkirchens Bezirks-Chefin Alexandra Grabner-Fritz.

Laut der Anzeige hat ein Ortsaugenschein auf der Baustelle Göstritz am 10. Dezember 2015 gegen 10.15 Uhr ergeben, dass die Bautätigkeiten "ohne Rechtsgrundlage unvermindert fortgesetzt werden". Die Aufhebung des Naturschutzbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) habe aufschiebende Wirkung, deshalb müssten die Bautätigkeiten sofort gestoppt werden, heißt es dazu in einem offenen Brief der Bürgerinitiative.

Fortbetriebsrecht

"Die derzeitige Bautätigkeit ist nicht illegal. Nach unserem Dafürhalten trifft eine gesetzliche Sonderbestimmung zu. Die ÖBB darf ihr Fortbetriebsrecht in Anspruch nehmen", sagte Grabner-Fritz. Laut § 42a des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes darf das Vorhaben bis zur Rechtskraft des Ersatzerkenntnisses, längstens jedoch ein Jahr, entsprechend dem aufgehobenen Genehmigungsbescheid in der Fassung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses weiter betrieben werden, wenn ein Genehmigungsbescheid in der Fassung eines Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom VwGH aufgehoben wird.

Dieses Fortbetriebsrecht gilt nicht, wenn der VwGH der Revision, die zur Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses führte, die aufschiebende Wirkung zuerkannt hätte. Der VwGH, der am 17. November die Bewilligung nach dem niederösterreichischen Naturschutzgesetz für den Semmering-Basistunnel aufgehoben hat, hat sich jedoch in seinem Erkenntnis nicht zu einer aufschiebenden Wirkung geäußert.

Bundesverwaltungsgericht am Zug

Offiziell startete der Tunnel-Bau in Niederösterreich am 23. November, drei Jahre nach der Grundsteinlegung. Im Mai hatte das Bundesverwaltungsgericht nach jahrzehntelangem Hin und Her den Bau des SBT genehmigt. Die Landschaftsschutzorganisation Alliance for Nature hatte daraufhin die letzte Instanz, den VwGH, angerufen. Beschwerden bei den Höchstgerichten haben allerdings nicht automatisch aufschiebende Wirkung.

Nach dem VwGH-Entscheid ist nun wieder das Bundesverwaltungsgericht am Zug, das das Verfahren zur Bewilligung nach dem niederösterreichischen Naturschutzgesetz fortzuführen hat. Laut dem VwGH hätte das Bundesverwaltungsgericht auch berücksichtigen müssen, welche Auswirkungen auf das Europaschutzgebiet sich aus dem Zusammenwirken des Tunnelneubaus mit bereits verwirklichten Projekten – konkret der S6-Semmering-Schnellstraße – ergeben. Dies fordert Alliance for Nature bereits seit Jahren.

In der nun eingebrachten Anzeige heißt es, mit dem VwGH-Erkenntnis vom 17. November sei "der Bescheid der BH Neunkirchen vom 14. 12. 2011, mit dem die Bewilligung für das Projekt nach dem NÖ Naturschutzgesetz erteilt wurde, in das Stadium der Beschwerde zurückversetzt. Der Beschwerde kommt nach § 13 Abs 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu, sodass seit der Zustellung des oben genannten VwGH-Erkenntnisses alle weiteren Baumaßnahmen der Projektwerberin rechtswidrig sind." (APA, 15.12.2015)