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Claire Underwood aus "House of Cards": politische Strategie, ja. Aber genieren will sie sich für ihre Entscheidung für einen Abbruch nicht.

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Serienmacherin Shonda Rhimes machte durch die Figur der Chirurgin Cristina Yang mehrmals Abtreibung explizit und selbstbewusst zum Thema.

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Wenn die Frau eines Präsidentschaftskandidaten eine Abtreibung hatte, ist eines klar: Es muss ein gut gehütetes Geheimnis bleiben. Dessen ist sich das machtbewusste Polit-Pärchen Underwood aus der US-amerikanischen TV-Serie "House of Cards" natürlich bewusst. Claire Underwood ist – wie immer – bereit zu taktieren, schämen will sie sich für ihren Schwangerschaftsabbruch allerdings nicht: "Wenn ich sage: Ja (dass sie einen Abbruch hatte, Anm.), ist die politische Karriere meines Mannes in Gefahr. Mein Glaube würde infrage gestellt werden; wahrscheinlich würde mein Leben bedroht werden. Aber ich will mich nicht schämen. Ja, ich war schwanger. Und ja, ich hatte eine Abtreibung."

Der geschockte Blick auf den Schwangerschaftstest

Es war einer der wenigen Momente der Fernsehgeschichte, in denen das noch immer äußerst ambivalente Verhältnis zwischen öffentlicher Meinung und realen Fakten ausbuchstabiert wird. In den USA hatte eine von drei Frauen einmal in ihrem Leben eine Abtreibung, in Kino und Fernsehen kommen offene Bekenntnisse oder Entschlüsse zu Schwangerschaftsabbrüchen im Vergleich zu den zahlreichen gezeigten ungewollten oder ungeplanten Schwangerschaften eher selten vor. Der ungläubige und geschockte Blick auf den positiven Schwangerschaftstest flimmerte hingegen gefühlte tausend Mal über die Bildschirme.

Wenn der Entschluss zu einem Abbruch dennoch vorkommt, entspricht diese Darstellung nicht der Realität. Das fand eine neue Studie heraus, die sich mit der Darstellung von Abtreibungen in amerikanischen TV-Serien beschäftigte. Gretchen Sisson und Katrina Kimport von der University of California untersuchten Serien in dem Zeitraum zwischen 2005 und 2014 und konzentrierten sich dabei auf die demografischen Aspekte von 78 Plots, in denen Frauen eine Abtreibung hatten, inklusive Episoden aus den Serien "Grey's Anatomy", "Jane the Virgin", "Nashville", "Girls" und "Transparent". 87 Prozent der Frauen, die eine Abtreibung hatten, waren dabei weiß, fünf Prozent Afroamerikanerinnen – und null Prozent Latinas.

In der realen Welt sieht dieses Verhältnis anders aus: 36 Prozent weiße Frauen, 27 Prozent Afroamerikanerinnen und 25 Prozent Latinas sind unter den Frauen, die in den USA abtreiben. Diese Unterrepräsentation bestimmter Bevölkerungsgruppen könne sich auf Frauen in der realen Welt negativ auswirken, schreiben die Studienautorinnen. Wenn Women of Color in Zusammenhang mit diesem Thema nicht vorkommen, könnte das das Bewusstsein fördern, sie würden Abtreibungen nicht brauchen oder nicht wollen – das wiederum könnte zu zusätzlicher Stigmatisierung von Abtreibungen führen.

40 Prozent unter der Armutsgrenze

Auch der finanzielle Hintergrund klafft in Fiktion und Realität auseinander: Während in den Serien 80 Prozent der gezeigten Frauen zur Ober- und Mittelschicht gehörten, befinden sich tatsächlich 40 Prozent der abtreibenden Frauen unter der Armutsgrenze. Und in den Serien sind sie auch deutlich häufiger Teenager und kinderlos als "echte" Frauen. Das Alter der Frauen gehört auch zu den gezeigten Motiven für einen Schwangerschaftsabbruch in den Serienplots. Weitere Gründe sind Beziehungsprobleme oder dass für ein Kind Karriere oder Ausbildung auf Eis gelegt werden müsste. Motive aus der realen Welt wie finanzielle Verhältnisse oder der Umstand, dass sich Frauen um schon existierende Kinder kümmern müssen, bleiben im TV völlig unterrepräsentiert.

Kimport und Sisson haben bereits 2014 eine Untersuchung zu Abtreibungen in Film und Fernsehen veröffentlicht. Darin untersuchten sie 385 Erzählstränge über Abtreibungen zwischen 1916 und 2014 und sahen sich unter anderem an, wie die Gefahr von Schwangerschaftsabbrüchen dargestellt wurde. Es zeigte sich, dass in Film und Fernsehen Abtreibungen häufiger zum Tod führen, als das tatsächlich der Fall ist.

An Abtreibungen wird nicht gestorben

Neun Prozent der Serienfiguren sterben an den direkten Folgen einer Abtreibung, noch einmal 14 Prozent sterben etwas später durch Suizid, Mord oder wegen späterer Komplikationen aufgrund des Eingriffs, doch in Wahrheit stirbt in den USA praktisch keine Frau an einem Schwangerschaftsabbruch. Zudem enden ungewollte Schwangerschaften nur zu einem Prozent in der Entscheidung zu einer Adoption, in Film und Fernsehen sind es neun Prozent.

Die Darstellung verweist nicht zuletzt auf die MacherInnen der Serien, heißt es auf "Bitch Media", das besonders Shonda Rhimes hervorhebt, die Frau hinter "Grey's Anatomy". Die Figur der Chirurgin Cristina Yang hatte in der Serie (seit 2005) sogar zweimal einen Abbruch. Nicht nur sie artikulierte ihren Wunsch, auf keinen Fall Mutter sein zu wollen, mehrmals in längeren Szenen und in unterschiedlichen Staffeln. Auch ihre beste Freundin und Hauptfigur Meredith Grey verteidigt den Entschluss der Freundin gegenüber einem von Yangs Partnern. Mit Verve führt sie aus, dass es Yang zerstören würde, würde sie durch emotionale Erpressung zur Mutterschaft gezwungen. Laut Cecile Richards, Präsidentin der NGO Planned Parenthood, sind solche Szenen enorm wichtig: "Wir müssen Frauen wie Shonda Rhimes dafür applaudieren, dass sie Frauen unsere Geschichten erzählen lassen."

Aus Anlass der Studie aus dem Jahr 2014 hat "Bitch Media" einige Szenen aus der Film- und Fernsehgeschichte zum Thema Abtreibung zusammengestellt:

BitchMedia

(beaha, 15.12.2015)