Die Alpensee-Idylle des Lago Maggiore trügt: Der Vorstoß Berns, die Zuwanderung aus der EU ohne Zustimmung Brüssels zu begrenzen, sorgt für Spannungen.

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Das sei "ein Drahtseilakt mit hoher Absturzgefahr", titelte das Onlineportal watson.ch, nachdem die Schweizer Bundespräsidentin und Justizministerin Simonetta Sommaruga vor Medienvertretern das Schutzklausel-Konzept vorgestellt hatte. Man strebe weiterhin eine einvernehmliche Lösung mit der Europäischen Union an, so die Ministerin. Doch eine solche scheint in weiter Ferne; und so schwenkt die Regierung nun auf Konfrontationskurs um.

Dabei lässt Bern noch offen, wie hoch die Zuwanderung aus der EU künftig noch sein darf, bevor man zur Schutzklausel greift und die Grenzen für EU-Zuwanderer schließt. Doch ein Risiko ist der Beschluss allemal: Einseitige Maßnahmen könnten letztlich dazu führen, dass die EU das Abkommen über den freien Personenverkehr und die bilateralen Verträge aufkündigen könnte, die viel zum wirtschaftlichen Wohlergehen der Schweiz beigetragen haben.

Die Zuwanderung von bis zu 100.000 EU-Bürgerinnen und -Bürgern pro Jahr hatte aber auch negative Folgen für die Angestellten, die zunehmend um Löhne und Arbeitsplätze fürchten mussten, und führte zu mehr Verkehr und steigenden Wohnungsmieten. In der Folge stimmte das Schweizer Wahlvolk im Februar 2014 mit 50,3 Prozent äußerst knapp für eine Begrenzung der Zuwanderung, wie sie von der rechtskonservativen Volkspartei SVP gefordert wurde.

Starke Senkung gefordert

Der SVP geht die jetzt beschlossene Lösung noch nicht weit genug: Es müsse nun zu einer markanten Senkung der Zuwanderung kommen. Die Schutzklausel müsse tief angesetzt werden, "die Zeit der wirkungslosen Alibiübungen ist vorbei", erklärte die SVP.

Gerade umgekehrt klingt es von links: Für die Sozialdemokratische Partei ist die Schutzklausel "ein Placebo mit gefährlichen Nebenwirkungen". Es brauche stattdessen mehr Schutz gegen Lohndumping und Arbeitslosigkeit sowie stärkere Maßnahmen gegen die Zersiedelung und gegen den Anstieg der Mieten.

Unterstützung findet der Bundesrat (Regierung) bei den Wirtschaftsverbänden, die in den vergangenen Wochen stark für eine Schutzklausel-Lösung lobbyiert hatten. "Das Freizügigkeitsabkommen mit der EU sieht explizit vor, dass die Schweiz die Zuwanderung beschränken kann, wenn auf dem Arbeitsmarkt ernsthafte Probleme auftreten", heißt es in der Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes. "Die Stoßrichtung des Bundesrats, die er mit seinen Eckwerten nun skizziert hat, ist deshalb ein richtiger Schritt." (Klaus Bonanomi aus Bern, 6.12.2015)