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Foto: APA/Fohringer

Der durch die neuen Ärztearbeitszeiten ausgelöste Engpass in manchen Krankenhäusern hat die Debatte um die Zwei-Klassen-Medizin neu belebt. Diese ist, wenn man den Aussagen der Politiker folgt, unmoralisch, gefährlich und muss unter allen Umständen verhindert werden. Dabei sei diese schon längst Realität, wird dann von Insidern geflüstert.

Diese Debatte ist ziemlich verlogen. Natürlich gibt es eine Zwei- oder sogar Mehr-Klassen-Medizin, genauso wie es unterschiedlichen Qualitätsstufen in jedem Bereich des Lebens gibt – sei es Wohnen, Essen oder Mobilität. Die entscheidende Frage bei der Medizin ist, ob das unterste Niveau den Ansprüchen einer reichen, zivilisierten und solidarischen Gesellschaft gerecht wird. Und das tut sie zum Glück in Österreich.

Nur ein Zwei- statt Dreibettzimmer?

Sonst sollte eigentlich nichts dagegen sprechen, dass sich Menschen, die es sich leisten können, eine noch bessere medizinische Versorgung sichern. Denn darum geht es jeden, der tausend Euro und mehr für einen private Zusatzversicherung ausgibt. Nur um im Krankheitsfall ein Zwei- statt ein Drei-Bett-Zimmer zu erhalten – die alten Sechs-Bett-Zimmer gibt es ja immer weniger –, ist dieses Geld nicht wert.

Als Privatpatient wird man vom Primar- oder Oberarzt operiert, was vom Vorteil sein kann (aber nicht sein muss). Und natürlich hofft man darauf, bei nicht akuten Operationen nicht ganz so lange warten zu müssen wie manche Kassenpatienten.

Querfinanzierung der Kassenpatienten

Öffentliche Krankenhäuser sind diesem Wunsch gerne nachgekommen. Denn die Privatpatienten leisten einen entscheidenden Beitrag zur Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesen. Über die hohen Ersatzleistungen der Zusatzversicherungen werden die Kassenpatienten in den Krankenhäusern mit mehreren hundert Millionen Euro im Jahr querfinanziert.

Wer nach einem kurzen Spitalsaufenthalt die Mitteilung erhält, dass die eigene Versicherung mehrere tausend Euro für Behandlung und Zimmer gezahlt hat, sieht sofort, dass hier andere Patienten indirekt subventioniert werden.

Öffentliche Spitäler in der Zwickmühle

Seit die Politik solche Verreihungen im Kampf gegen die Zwei-Klassen-Medizin zu verhindern sucht, sind die öffentlichen Krankenhäuser in der Zwickmühle. Lassen sie Privatpatienten zu lange warten, wandern diese mit ihren Ärzten in private Kliniken ab, wo sie sofort drankommen können. Dann fehlt den öffentlichen Spitälern das Geld, was letztlich auch die Kassenpatienten trifft.

So versuchen die Spitäler, über die leichtere Verfügbarkeit von Sonderklassenzimmern den begehrten Privatpatienten doch noch zu früheren Operationsterminen zu verhelfen und so als Kunden zu halten. Aber auch das wird ihnen immer schwerer gemacht.

Eine echte Zwei-Klassen-Medizin?

Am Ende dieser Entwicklung droht eine echte Zwei-Klassen-Medizin, in der Privatpatienten sich nur noch in Privatspitälern behandeln lassen und auch führende Ärzte immer weniger bereit sind, in öffentlichen Spitälern für wenig Geld zu arbeiten, weil sie dort ihre Privatpatienten nicht mehr unterbringen.

Andere Ärzte – meist die Primarärzte- wären versucht, ihren Einfluss auf Wartelisten für eigene Patienten geltend zu machen, ohne dass das Krankenhaus finanziell etwas davon hat. Den Preis dafür würden die Kassenpatienten bezahlen, die man eigentlich schützen wollte.

Ehrlicher und effektiver wäre es, wenn öffentliche Krankenhäuser Patienten mit Zusatzversicherung sehr wohl in einem gewissen Ausmaß – etwa über ein Punktesystem – vorreihen dürften, diesen Schlüssel aber bekannt geben müssten. Transparenz ist besser als Verbote, die dann doch umgangen werden. Doch dafür muss die künstliche Empörung über Zwei-Klassen-Medizin endlich aufhören. (Eric Frey, 6.12.2015)