Der Buchhalter Roland Liebhart ging strategisch vor, um seine Innsbrucker Wohnung zu kaufen. Die Türen ließ er rausnehmen – das sei nicht nur praktisch, sondern ein Statement. Katharina Mittelstaedt war zu Besuch.

"Als ich 18 Jahre alt war, wurde mir klar, dass ich eine eigene Wohnung brauche. Ich lebte damals in einer geschützten Werkstätte, aber das war nichts für mich, ich wollte da raus. Also habe ich begonnen, jeden Groschen auf die Seite zu legen. Trotz meiner schweren Behinderung habe ich zu dieser Zeit bereits gearbeitet. Im Laufe der Jahre habe ich einiges an Geld angespart. Ich hatte de facto auch kaum Ausgaben. Damit ich schnell zu einer eigenen Wohnung komme, hab ich das Ersparte genommen und angelegt. Das war die Zeit des großen Börsenbooms in den Neunzigerjahren. Mit einer geschickten Strategie konnte ich die Summe vervierfachen.

Roland Liebhart kann selbst nur einen seiner Küchenschränke nutzen – den höhenverstellbaren. Dafür überholt er mit seinem "E-Rolli" regelmäßig Fußgänger.
Foto: Günter Richard Wett

Jetzt sitze ich in meiner Eigentumswohnung. Vor 16 Jahren bin ich hier eingezogen, gekauft habe ich sie zwei Jahre zuvor. Mir war wichtig, eine Wohnung zu finden, die noch nicht gebaut ist, damit ich alles nach meinen Bedürfnissen gestalten kann. Im ursprünglichen Plan war alles ganz anders eingezeichnet.

Wenn man in die Wohnung kommt, findet man links ein großes Bad. Die Badewanne ist höher, damit man mich über die Schienen an der Decke und mit einem Hebelift einfach hineinbugsieren kann. Ich bin relativ schwer, aber dafür braucht ein Assistent nicht viel Kraft. Das war mir wichtig, damit ich sie nicht danach auswählen muss, ob sie stark sind.

Ich habe alle Türen rausnehmen lassen, die restliche Wohnung ist im Grunde ein großer Raum. Damals war das aus praktischen Gründen gedacht, aber mittlerweile denke ich mir, dass diese Offenheit auch ein gewisses Statement ist. In der Küche nutze ich selbst nur dieses eine Kastl. Das ist per Fernbedienung höhenverstellbar, und ich kann reingreifen und Sachen rausholen. Ich bin von der Motorik her nicht so gut drauf, aber so kann ich auch mal allein einkaufen und das danach alles einräumen.

Insgesamt hat die Wohnung fünfzig Quadratmeter und eine große Terrasse. Dass ich so zentral in Innsbruck wohne, war mir ultrawichtig, weil das bedeutet, dass ich mit dem E-Rolli überall hinkomme. Ich will mitten im Leben stehen. Veranstaltungen, für die andere zwanzig Minuten zu Fuß brauchen, erreiche ich in zehn Minuten. Auch zur Arbeit fahre ich mit dem Rollstuhl.

Ich arbeite in der Buchhaltung – seit mehr als 27 Jahren. Ich habe mir damals das Innsbrucker Telefonbuch geschnappt, alle Institutionen, die mich irgendwie interessiert haben, herausgeschrieben und 133 Bewerbungen verschickt. Die Spannweite reichte von der evangelischen Kirche bis zur Kommunistischen Partei. Beim Berufsförderungsinstitut hat es dann geklappt. Am Anfang wussten sie nicht genau, was man mit mir anfangen soll, aber inzwischen habe ich viele Aufgaben und Generationen an Mitarbeitern überlebt.

Zu Hause bekomme ich mehrmals täglich Hilfe: in der Früh zum Aufstehen, zu Mittag zum Essen, am Nachmittag für Haushaltsarbeit, und am Abend bringt mich jemand ins Bett. Gerade dieser Dienst ist schwierig einzuteilen. Man weiß ja selten schon im Vorhinein, wann man müde wird. Das ist eines der wenigen Dinge an meiner Behinderung, das mich wirklich stört.

In meiner Wohnung kann ich richtig abschalten. Da brauche ich nicht viel. Manchmal hocke ich einfach da und denke mir: Das ist meine Wohnung. Die kann mir niemand wegnehmen. Die gehört mir, da hat mir niemand dreinzureden. Das ist ein so cooles Gefühl, das kann sich jemand anderer vielleicht gar nicht vorstellen. Eine eigene Wohnung zu haben, nicht in einer Institution sein zu müssen, wo alles getaktet ist, das hat mir den Traum von Freiheit erfüllt." (7.12.2015)