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Gerade die Untersuchung und Behandlung am Auge kann für manche Patienten recht unangenehm sein. Neue Technologien bieten nun eine schnellere Diagnose und eine bessere Therapie, die für Betroffene, aber auch für die Mediziner eine enorme Erleichterung bedeutet, wie Experten im Vorfeld des internationalen Augenkongresses ART Vienna berichteten.

Ursula Schmidt-Erfurth, Leiterin der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien, sprach von "Meilensteinen". So wird etwa die Angiografie, um die Blutgefäße im Augenhintergrund darstellen zu können, digitalisiert. Bisher wurde die Basisuntersuchung für eine Reihe von Erkrankungen nur mittels Kontrastmittel möglich gemacht, um die Blutgefäße darstellen zu können.

Bei der sehr zeitintensiven Untersuchung wurde dem Patienten ein Farbstoff über die Armvene verabreicht, damit eine spezielle Netzhautkamera die Verteilung des Farbstoffes in den Blutgefäßen analysieren konnte.

Bei manchen Patienten führte der Farbstoff jedoch zu Übelkeit, Erbrechen oder einem allergischen Schock, wie Schmidt-Erfurths Kollege, Andreas Pollreisz von der MedUni Wien, ausführte. Bei der digitalen "OCT-Angiografie" muss nun kein Kontrastmittel mehr verabreicht werden, die Untersuchung dauert nun "nur ein paar Sekunden", sagte Pollreisz.

Gefäß-Landkarte

Innerhalb kürzester Zeit werden mehrere Bilder der Netzhaut über ein spezielles, für das Auge ungefährliches Laserlicht angefertigt. Das System errechnet damit eine Landkarte der durchbluteten Gefäße. "Somit können erstmalig die einzelnen Gefäßstrukturen auch den zugehörigen Netzhautschichten zugeordnet werden. Innerhalb von Sekunden entsteht so eine dreidimensionale Rekonstruktion der gesamten Gefäßstrukturen des Augenhintergrundes", erklärte Pollreisz.

fMRT-Untersuchung

Eine weitere Technologie berücksichtigt in Zukunft, dass die Netzhaut quasi bereits einen Teil des Gehirns darstellt. Um den Verarbeitungsprozess von Seheindrücken in den entsprechenden Gehirnarealen zu untersuchen, wurden Patienten in einem Kooperationsprojekt der Augenklinik und des Zentrums für medizinische Physik und biomedizinische Technik der MedUni Wien mit funktioneller Magnetresonanztherapie untersucht.

Sie erhielten Sehreize in Form von sich bewegenden Schachbrettmustern, gleichzeitig wurde über den lokalen Sauerstoffverbrauch die Aktivität im Gehirn gemessen. Es zeigte sich, dass einer definierten Region der Netzhaut ein entsprechendes Areal des Sehzentrums zugeordnet werden kann, berichtete Markus Ritter von der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der MedUni Wien.

Fällt im Rahmen von Netzhauterkrankungen die Funktion einer bestimmten Netzhautregion aus, würde man bei der Darbietung von Sehreizen im entsprechenden Areal des Sehzentrums eine reduzierte Aktivität erwarten, was bei den meisten Patienten auch so nachgewiesen werden konnte.

"Allerdings scheinen bei einigen Patienten mit über viele Jahre bestehenden Netzhauterkrankungen benachbarte, relativ gesunde Netzhautareale die Funktion der verloren gegangenen Areale teilweise zu übernehmen, was sich in einer veränderten Darstellung der entsprechenden Netzhaut-Sehzentrumregionen widerspiegelt", erklärte Ritter. "Damit scheint dieses System nicht starr zu sein, sondern zu einem gewissen Teil anpassungsfähig. Und es scheint Funktionsstörungen an der Netzhaut teilweise kompensieren zu können."

Injektion von Medikamenten

Von einem "Paradigmenwechsel in der Therapie" sprach Schmidt-Erfurth über die Injektion von Medikamenten direkt ins Auge. Diese Behandlungsmethode wird in Zukunft vor allem für diabetische Netzhauterkrankungen von Bedeutung sein, die für Erblindung und schweren Sehverlust verantwortlich sind.

Das ist eine dramatische Entwicklung, wenn man bedenkt, dass sich Diabetes bei Menschen mittleren Alters als Zivilisationskrankheit immer weiter ausbreitet. Patienten mit diabetes-typischen Gefäßwucherungen der Netzhaut erleiden zu 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren einen schweren Sehverlust, erklärte Schmidt-Erfurth. Mit der Einführung der Laserverödung der Netzhaut konnte der Verlauf zwar verbessert werden, doch hatte die Therapie auch zahlreiche Nebeneffekte wie die den Verlust großer Teile des Gesichtsfeldes.

Therapie bei Diabetes

Die erfolgreiche Behandlung der Makula-Erkrankung bei Diabetes mit Medikamenten, die direkt in das erkrankte Auge injiziert werden, ließ laut Schmidt-Erfurht den Schluss zu, dass dieselben Substanzen auch gegen die schwerste Form, die proliferative Retinopathie, wirksam sein könnten. Im November 2015 wurde in den USA die erste Studie dazu veröffentlicht.

Das Ergebnis: Die mit der Injektion behandelten Patienten hatten nach zwei Jahren eine bessere Sehkraft und ein gut funktionierendes Gesichtsfeld, bekamen seltener ein Makula-Ödem und mussten auch seltener operiert werden.

"Nach 40 Jahren Laserverödung setzen wir einen neuen Meilenstein für eine wirkungsvollere und gleichzeitig wesentlich schonendere Behandlung bei einer der häufigsten Bedrohungen des Augenlichtes, der diabetischen Netzhauterkrankung", sagte die Medizinerin. "Neue Richtlinien und Empfehlungen für die Behandlung von Tausenden von diabetischen Patienten müssen erstellt werden." (APA, 3.12.2015)