Der Flüchtlingsstrom nach Österreich hat eine Debatte darüber entfacht, welche ökonomischen Kosten auf die Gesellschaft in den kommenden Jahren zukommen. Finanzminister Hans Jörg Schelling sagt bereits, dass man wegen der Kosten für Flüchtlinge ein "Riesenproblem" bekommen werde. Auch die Warnungen werden lauter, dass der angeschlagene Arbeitsmarkt mit der Aufnahme weiterer Menschen nicht zurande kommen wird.

Doch so muss es nicht sein. Österreich als eines der reichsten Länder der Welt hat alle Ressourcen zur Verfügung, um mit dem Andrang fertigzuwerden, und zwar selbst dann, wenn die Fluchtbewegungen andauern. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte ist, dass die Lasten ungleich verteilt sind. Das größte Risiko tragen nämlich ausgerechnet jene Menschen, die schon heute zu den Globalisierungsverlierern zählen.

Belegen lässt sich dieses Argument mit einem Blick auf den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit steht auf einem Rekordhoch und soll laut Wirtschaftsforschern 2016 und 2017 weiter steigen. Doch die Probleme sind nicht für alle gleich groß. Unter Akademikern liegt die Arbeitslosenrate bei etwa 3,5 Prozent, bei Menschen mit Pflichtschulabschluss dagegen bei fast 24 Prozent. Der technische Wandel und die Globalisierung haben viele Jobs im Niedriglohnsektor vernichtet.

Erfahrungen aus der Vergangenheit legen nahe, dass die meisten Neuankömmlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak ebenfalls am unteren Ende des Jobmarkts landen werden. Zunächst, weil sie noch wenig Deutsch sprechen und über keinen in Österreich anerkannten Bildungsabschluss verfügen. Eine aktuelle Studie der Statistik Austria zeigt, dass sogar gut ausgebildete Zuwanderer längerfristig vielfach nur als Hilfsarbeiter unterkommen. Genau in diesem Segment könnte also die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Aber selbst wenn nicht, wird die Furcht vor dem sozialen Abstieg zunehmen. Bei nicht wenigen Menschen führt diese zu Radikalisierung und Ausländerfeindlichkeit.

Die Parole "Wir schaffen das" wird also nicht reichen. Die abgehängten Menschen brauchen ein Angebot. Der US-Ökonom Joseph Stiglitz riet diese Woche bei einem Wien-Besuch ganz Europa angesichts der Flüchtlingskrise, mehr umzuverteilen, also mehr Solidarität von den Reichen zu fordern. Stiglitz hat recht.

Um die Herausforderungen allein auf dem Arbeitsmarkt bewältigen zu können, müsste die Regierung die Lohnnebenkosten für Unternehmen senken, damit mehr Jobs geschaffen werden können. Arbeitslose brauchten anstatt eines Rückbaus des Sozialstaats mehr Absicherung, etwa über längeres Arbeitslosengeld. Es müsste mehr Mittel für Umschulungen geben. Das alles ließe sich finanzieren, ohne die Schulden oder die Steuerquote zu erhöhen, wenn das Steuersystem nur endlich gerechter werden würde.

Laut EU-Kommission zählt Österreich zu den EU-Ländern mit der niedrigsten Besteuerung von Vermögen. Gerade 1,1 Prozent seiner Einnahmen generiert der Staat aus diesem Posten. Damit liegt die Republik auf Rang 24 von 28 Ländern. In 20 EU-Staaten gibt es eine Erbschafts- und Schenkungssteuer – nicht hierzulande. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte verfügen über ein Durchschnittsvermögen von 1,65 Millionen Euro. Diesen Menschen ist ein größerer Beitrag zumutbar. Gerade jetzt wird er gebraucht. (András Szigetvari, 2.12.2015)