Charlotte Roche mit Christoph Grissemann und Dirk Stermann.

Foto: ORF/Hans Leitner

Sie schien nicht erschüttert, als Grissemann zugab, beim Lesen ihres Buches nur "eine kleine Erektion" verspürt zu haben. Na gut. Immerhin hat er sie entfesselt angesagt: "Wie schaffe ich es, meine Babysitterin zur Sexsklavin zu machen? Wie ruiniere ich meine Ehe? Und wie bringe ich meine Eltern um? Meine Damen und Herren – Charlotte Roche!"

Auch später ließ sich die Dichterin allerdings nichts Markantes anmerken, blieb unspektakulär. Sie gab trocken Einblick in den Kalender ihrer Ängste, sprach über Flugangst oder die Furcht von instabilen Gebäuden. Eine Phobikerin wie du und ich. So normal.

Vergleichsweise schockierend jedoch die Einblicke in die Schreibwerkstatt, aus der zuletzt Mädchen für alles herausgezaubert wurde. Werdende Dichter erfahren: Roche benötigt zwei Jahre für ein Buch, da sie die Zehnfingertechnik nicht beherrscht. Sie tippt mit zwei Fingern, und ihr Tagesablauf müsse so was von "voodoo mäßig, wie in einer Religion, superspießig ablaufen".

Damit "ich morgens produktiv sein kann, esse ich Rapunzel-Müsli. So ein Biomüsli halt. Wenn ich das nicht esse, denk ich, ich kann nicht schreiben. Jedenfalls muss alles genau gleich ablaufen. Ich darf auch nicht aufs Handy gucken. Wenn mir eine Freundin irgendeine Sche... schreibt, krieg ich schlechte Laune. Ich kann dann nicht schreiben. Soziale Kontakte können mich aus der Bahn werfen."

Ernüchternd kann die Wahrheit sein: Literatur à la Roche tankt Kräfte an der Müsliquelle und wächst an der hohen Mauer von Disziplin und Abgeschiedenheit zu etwas heran, das bei Grissemann eine Erektion bewirkt. Wenn auch nur eine kleine. (Ljubiša Tošić, 2.12.2015)