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Wenn Hochwasser, Erdbeben oder Terroranschläge die Mobilfunknetze lahmlegen, sollen neue Technologien dem Krisenmanagement helfen. Im Bild: Elbhochwasser in Niedersachsen.

Foto: AP/Nigel Treblin

Klagenfurt – Eingestürzte Häuser, aufgerissene Straßen: Im Erdbebengebiet herrscht Chaos. Überlebende suchen nach Familienangehörigen und Kollegen. Informationen über das tatsächliche Ausmaß des Unglücks sind noch kaum vorhanden. Ersten Hilfskräften dient ein Fahrzeug als mobile Kommandozentrale. Die Retter schwärmen aus, um Verletzte zu bergen und gleichzeitig die Lage zu sondieren.

Die Informationen, die sie sammeln, fließen in ein Gesamtlagebild ein und dienen der Einsatzleitung dazu, Ressourcen und Hilfestellungen zu koordinieren. Ein eingeknickter Strommast oder ein Gebäude, in dem noch Verschüttete vermutet werden – heute ist ein Smartphonebild oder -video der praktischste Weg, derartige Informationen schnell und zielgerichtet weiterzugeben.

Allerdings zerstören Katastrophen solchen Ausmaßes auch die Kommunikationsinfrastruktur. Wenn ein Erdbeben keinen Stein auf dem anderen lässt, arbeiten auch keine Funkmasten mehr. Nach einem großen Terroranschlag sind die Netze mit hoher Sicherheit überlastet, auch wenn die Infrastruktur noch intakt ist.

Über eine Kommunikationstechnik, die in einem derartigen Fall zur Anwendung kommen kann, hat sich Christian Raffelsberger Gedanken gemacht. In seiner Dissertation am Institut für Informationstechnologie der Alpen-Adria-Universität (AAU) Klagenfurt hat er ein System entworfen, wie die Weitergabe von Multimediadaten der Einsatzkräfte funktionieren kann, wenn kein konventionelles Mobilfunknetzwerk mehr verfügbar ist.

Die Entwicklung ist ein Beitrag zum EU-Projekt Bridge, in dem ein Konsortium aus 14 Institutionen aus ganz Europa – koordiniert vom Forschungsunternehmen Sintef in Oslo – in den vergangenen Jahren technische und organisatorische Lösungen entwickelt hat, die das Krisenmanagement bei großen Katastrophen in den EU-Mitgliedstaaten verbessern sollen. Partner aus Österreich war neben der AAU, wo das Projekt von Computerwissenschafter Hermann Hellwagner geleitet wurde, auch die Uni Salzburg.

"Die spezifischen Kommunikationsnetze wie ein Behördenfunk sind zwar robust, bieten aber wenig Bandbreite im Vergleich zu den kommerziellen Mobilfunknetzen", erklärt Raffelsberger die Ausgangssituation. Die Idee ist nun, lokale WLAN-Netze an den Einsatzorten zu etablieren. "Auf begrenztem Raum sind die drahtlosen Netzwerke eine sehr gute Möglichkeit. Unterbrechungen, Überlastungen oder schlechte Verbindungen kann man trotzdem nicht ausschließen."

WLAN-Netz am Einsatzort

Die ausschwärmenden Sicherheitskräfte können nicht durchgängig mit dem WLAN-Netz der mobilen Einsatzzentrale, die die Daten dann etwa per Satellitenverbindung weiterschickt, verbunden sein. Daten können gegebenenfalls längere Zeit nicht weitergegeben werden.

Das unterbrechungstolerante Routing, das Raffelsberger entwickelt hat, soll in einem solchen Fall die Daten besser vermitteln. Dazu haben die einzelnen Einsatzkräfte selbst WLAN-Router dabei oder richten Zugangspunkte in ihren eigenen Smartphones ein. Wenn nun Daten an die Einsatzzentrale weitergeleitet werden sollen, diese aber nicht erreicht werden kann, versucht Raffelsbergers Algorithmus, andere Geräte innerhalb des Helferschwarms zu finden. "Bestenfalls werden Sie an mehrere Router weitergeschickt, um die Chance zu erhöhen, dass sich möglichst bald einer davon in Reichweite der Einsatzleitung befindet", erläutert der Informatiker.

Wenn im Moment überhaupt kein Empfangsknoten in Reichweite ist, werden die Daten am Gerät zwischenzeitlich gespeichert. Auf diese Art können sich die Inhalte nach und nach bis zur Zentrale vorarbeiten. "Es ist wahrscheinlich, dass die Informationen auf diese Art schneller ans Ziel kommen. Welchen Weg sie dafür nehmen, ist aber nicht absehbar."

Raffelsbergers Beitrag an Bridge fügt sich mit vielen anderen zu einem Krisenmanagement, das auf modernen Technologien basiert. Eine Kollegin an der AAU hat ein System entwickelt, das relevante Informationen in Hinblick auf eine aktuelle Katastrophe aus Social-Media-Kanälen extrahiert, um so das Lagebild der Entscheidungsträger zu verbessern. An der Uni Salzburg wurden hingegen spezielle Flugdrohnen entwickelt, die mit Video- und Infrarotkameras sowie Umweltsensoren ausgestattet sind und etwa bei Chemieunfällen Daten für die Vorhersage der Ausbreitung von Giftwolken liefern. Die Technologien, die im Rahmen von Bridge entwickelt worden waren, konnten bereits in einer großangelegten Übung in Norwegen mit über 100 Einsatzkräften erprobt werden. Das Testszenario war dabei ein terroristischer Anschlag auf einen Hafen.

Relevantes länger speichern

Auch der WLAN-Routing-Algorithmus aus Kärnten kam dabei zum Einsatz. Dieser würde auch noch Potenzial für Weiterentwicklung haben, so der Informatiker. Die Möglichkeit der Zwischenspeicherung hängt von der Größe des Datenpuffers in den einzelnen Geräten ab. Gibt es zu lange keinen Kontakt, könnten Daten überschrieben werden. Raffelsberger: "Für die Zukunft wäre es relevant, dass das System zwischen wichtigen Daten, die nicht überschrieben werden dürfen, und weniger wichtigen zu unterscheiden lernt." (Alois Pumhösel, 4.12.2015)