Am Freitagnachmittag fangen viele junge Menschen an, über das Wochenende nachzudenken. Nicht so Michael Kögl. Der Projektkoordinator von "Connect Traiskirchen" ist zu dem Zeitpunkt schon seit Stunden damit beschäftigt, das wöchentliche Freizeitprogramm für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf Schiene zu bringen.

Viele Menschen und nichts zu tun

Die untragbaren Zustände im Flüchtlingslager Traiskirchen gaben Ende Juli den Ausschlag dazu, "Connect Traiskirchen" ins Leben zu rufen. Das Lager ist mit 1.500 bis 1.600 Flüchtlingen immer noch überbelegt. "Knapp drei Viertel davon sind unbegleitete minderjährige Burschen", sagt Kögl. Zu tun gibt es für sie im Lager nichts.

Hunderte junge Männer machen sich daher jeden Freitag auf den Weg vom Erstaufnahmezentrum, vorbei an beschaulichen Einfamilienhäusern, zu dem ehemaligen Betriebsgelände von Semperit. Dort harren sie auf Einlass in eine Lagerhalle, in der ein Dutzend freiwillige Helferinnen und Helfer unter Leitung von "Connect" ein sich wöchentlich änderndes Freizeitprogramm auf die Beine gestellt haben.

Ein paar Stunden Unbeschwertheit

Punkt 14 Uhr öffnen sich die Tore. In den nächsten drei Stunden können die Flüchtlinge bei Tätigkeiten von Möbelbauen über Fußballspielen bis Schneidern das eintönige Leben im Lager hinter sich lassen. "Im Lager gibt es nichts zu tun. Ich denke dort viel an meine Familie und freue mich, wenn ich hier bin und an etwas anderes denken kann", sagt ein junger Mann aus Afghanistan. "Mir gefällt eigentlich alles. Handwerken, spielen, feiern und tanzen."

Foto: sarah brugner/derstandard.at

Die größte Menschentraube bildet sich an diesem Freitag um die Liveband. Als einige Flüchtlinge zu tanzen beginnen, treibt es auch vielen Helferinnen und Helfern ein Lächeln ins Gesicht.

Susanne Steinhausen ist eine verlässliche Helferin vor Ort und betreut den "Garten der Begegnung", eine Handwerks- und Nähstation, bereits seit mehreren Wochen mit. "Ich merke, dass man für sich selber eine klare Verabredung haben muss, dass man es auch wirklich schafft, jeden Freitag hier zu sein. Das macht im persönlichen Leben viel aus, man muss ja alles, was man am Freitag nicht tun kann, irgendwo anders unterbringen", sagt sie. "Aber wenn ich dann einmal hier bin, ist es auch für mich spannend und interessant. Ich gehe immer sehr froh nach Hause und habe das Gefühl, es war ein sehr erfüllter Tag."

Der Austausch zwischen Flüchtlingen und Helfern ist rege, auch über Sprachbarrieren hinweg. Mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln wird improvisiert. Stolz präsentieren Flüchtlinge ihre selbstgemachten Schlüsselanhänger, bemalt in den Farben der afghanischen und der österreichischen Flagge. Großes Engagement, geringe Ressourcen. Das produktive Miteinander von Helfern und Flüchtlingen manifestiert sich in ganz konkreten Objekten. "Die Halle war, als wir gekommen sind, ganz leer und staubig. Alles, was die Halle jetzt schöner und interessanter macht, was an Möbeln herumsteht, ist hier entstanden", sagt Kögl.

Foto: sarah brugner/derstandard.at

Die Band hat mittlerweile ihren Auftritt beendet, die Schlange bei der Getränke- und Essensausgabe wird immer länger. Es gibt Saft und Kuchen. Was nach einer kleinen Stärkung für zwischendurch klingt, dürfte bei manchen Flüchtlingen den Hunger stillen müssen. "Wir merken, dass die Versorgung im Lager immer wieder schwierig ist. Die Burschen, die hierherkommen, haben Hunger", sagt Kögl.

Im Sommer seien immer wieder private Helfer zum Lager gefahren, um Essen vorbeizubringen. Dass die spontane Hilfsbereitschaft abgenommen hat, leuchtet Kögl ein: "Irgendwann sind der Urlaub und die finanziellen Ressourcen aufgebraucht." Das private Engagement für Flüchtlinge sei quantitativ weniger geworden, die Qualität der freiwillig geleisteten Arbeit bleibe aber hoch.

Die Diskussion über nachlassende Hilfsbereitschaft führt laut Kögl am eigentlichen Kern der Sache vorbei: "Es ist etwas, das wir dem Staat abnehmen, und das kann es auf Dauer nicht sein. Was wir hier tun, sollte eigentlich angeboten werden." Für die Flüchtlinge geht ein unbeschwerter Nachmittag zu Ende, für Michael Kögl und seine Helfer und Helferinnen ein langer unbezahlter Arbeitstag. (Text: Sarah Brugner, Video: Michael Luger, Sarah Brugner, 21.12.2015)