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Der salafistische Imam Rachid Abou Houdeyfa predigt in einer Moschee in Brest am westlichsten Zipfel Frankreichs. Über das Internet erreicht er ein zumeist sehr junges Publikum im ganzen Land.

Foto: AFP / Tanneau

"Gehorcht der gute Muslim seiner Frau? Natürlich!", ruft der Imam aus, und seine dunklen Augen blitzen wie nach einem gelungenen Schelmenstreich. "Wenn sie überfordert ist im Haushalt, muss er ihr selbstverständlich helfen. Nein, wir sagen nicht, die Muslimin sei ihrem Mann unterworfen. Das passt uns nicht."

Der kleine Redeausschnitt findet sich auf der eigenen Homepage von Rachid Abou Houdeyfa. Im Folgenden sagt der 35-jährige Franzose in seinem rhythmischen "Tchatche", dem Jargon der Banlieue-Jugend: "Der Polizeipräfekt von Paris hat erklärt, in seiner Stadt habe es in einem einzigen Jahr 800 sexuelle Übergriffe gegeben, mehr als 8000 (!). Ich sage: Schlagt eure Frauen nicht!"

Auf eine Null mehr oder weniger kommt es dem Imam nicht an. Wichtig ist der Effekt: Houdeyfa zeigt dem ganzen Land, dass er nicht der rückständige Gottesprediger ist, als den ihn französische Medien gerne darstellen. Nach den Pariser Anschlägen verurteilte der agile Bretone aus einem Immigrantenviertel von Brest die "Barbaren" und "Terroristen" in aller Deutlichkeit. Es seien schon immer kriminelle Taten im Namen der Religion begangen worden, erklärte er. Heute geschehe das leider im Namen des Islam, weshalb er als Prediger "ohne jede Ambivalenz" klarmachen müsse, dass diese Akte keinesfalls mit dem Islam zu rechtfertigen seien.

Soziale Netzwerke

Seine Kritiker werfen ihm trotzdem eine ambivalente und letztlich auch gefährliche Haltung vor. Der agile Mann mit langem Kinnbart bedient sich, wie einst die amerikanischen Fernsehprediger, der neuen Medien, um über seine Moschee hinaus bekannt zu werden. Er kommuniziert via Twitter, Youtube und Facebook, wo er bereits über 190.000 Anhänger zählt.

Weniger modern ist sein Diskurs. Houdeyfa, der mit bürgerlichem Namen Rachid El Jay heißt, gehört zum quietistischen (gewaltlosen) Flügel der Salafisten und bezieht sich ausdrücklich auf Standpunkte und Quellen, die vor "vierzehn Jahrhunderten" entstanden sind, wie er selber hervorhebt – als wäre das ein unschlagbarer Vorteil.

Bekannte Salafisten aus den Pariser Vorstädten – etwa Nader Abou Anas aus Le Bourget oder Mehdi Kabir aus Villetaneuse – predigen mit dem gleichen Argument gegen Feministinnen und Schweinefleisch. Houdeyfa, der früher gerne rappte und von sich sagt, er sei "weder ein Weiser noch ein Mufti", gibt sich aufgeschlossener – und macht sich eloquent über Kritiker lustig, wenn sie seine Rückständigkeit anprangern.

Youtube-Video

Nicht mehr zu löschen vermag er allerdings ein Youtube-Video, in dem er Zehnjährige um sich geschart hat und ihnen erklärt, Musik sei "haram", also unzulässig, verboten. Wer auf Smartphones oder MP3-Geräten Musikvideos lade und höre, werde in einen Affen oder ein Schwein verwandelt, droht Houdeyfa den Kids. Die staunen zuerst, machen aber bald mit. Auf die Schlussfrage des Predigers, was Musik sei, antworten sie nun wie aus einer Kehle: "Haram!"

Dieses Video wurde vor den Pariser Anschlägen aufgenommen. Das Wochenmagazin "L'Obs" stellt dennoch dem Prediger die Grundsatzfrage: "Wo beginnt der Radikalismus?" Schafft Houdeyfa mit seinen Worten nicht den Nährboden für Terroristen, die bewusst einen Konzertsaal wie das Bataclan oder die Band Eagles of Death Metal, die am 13. November dort auftrat, zur Zielscheibe machten?

Das befürchtet auch die Anthropologin Dounia Bouzar, die in der Pariser Umgebung mehrere Projekte zur "Deradikalisierung" entgleister Banlieue-Kids leitet. Sie hat hunderte Lebensläufe von Anhängern der syrisch-irakischen Terrormiliz "Islamischer Staat" geprüft und festgestellt: "Wenn man im Cache ihrer Computer nachschaut, stößt man bei den frühesten Einträgen meist auf die Videos dieser Imame."

Frischer Wind für alte Lehren

Starprediger wie Houdeyfa sprechen ganz offensichtlich auch Jugendliche an, die für die als altmodisch und verstaubt geltenden Moschee-Rektoren nur noch Verachtung übrig haben. Bloß verdammen diese Salafisten, selbst wenn sie jeden Terror zurückweisen, generell die westliche Lebensart – und damit auch die Pariser Bistro-Kultur, die Ziel der jüngsten Anschläge war. Darüber aber diskutiert Houdeyfa öffentlich nicht, verweigert er sich doch systematisch den Anfragen französischer Medien.

Die französische Polizei scheint sich derzeit ihrerseits die Frage zu stellen, auf welcher Seite Houdeyfa wirklich steht. Im Zuge des nationalen Ausnahmezustandes wurde seine Moschee in Brest am vergangenen Freitag von über hundert Polizisten einer mehrstündigen Hausdurchsuchung unterzogen. (Stefan Brändle aus Paris, 1.12.2015)