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Parteichefin Eva Glawischnig wird beim Bundeskongress beklatscht.

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Gemeinsam mit Werner Kogler führt Glawischnig die Partei.

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Das Führungstrio der Grünen: Werner Kogler, Eva Glawischnig und Stefan Wallner.

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Wallner ist als Bundesgeschäftsführer für die grüne Strategie verantwortlich.

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Dieter Brosz ist geschäftsführender Abgeordneter, er hält der Chefin im Parlament den Rücken frei.

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Johannes Rauch aus Vorarlberg vermisst klare Positionen und Lösungsvorschläge seiner Partei.

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Der Tiroler Abgeordnete Georg Willi beklagt in seiner Partei einen Hang zum Zentralismus.

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Wien – Bei den Grünen gärt die Diskussion über die abgeschlossen agierenden Führungszirkel in der Partei, über das "Regime" der Männer um Parteichefin Eva Glawischnig. Gelegentlich bricht diese Debatte medial durch, auch wenn die Parteiführung auf Disziplin zu achten versucht und Kritiker scharf zurechtweist.

Beklagt wird die weichgewaschene Kommunikationslinie der Partei, bei der Inhalte auf der Strecke blieben. Das Hauptaugenmerk liege auf PR und Marketing, in wesentlichen Fragen würde eine Kopf-in-den-Sand-Politik betrieben, lautete die Kritik, die anlässlich des grünen Bundeskongresses im STANDARD wiedergegeben wurde. Im jüngsten "Profil" ist von einer "Politik der Hinterzimmer" die Rede. Grünen-Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner und Dieter Brosz als geschäftsführender Abgeordneter im Parlament führten ein strenges Regime nach ihren Vorstellungen und duldeten kaum Widerspruch. Beide nähmen Umfrageauswertungen zur Grundlage von politischen Entscheidungen.

Intensive Debatte

Wallner lässt die Kritik nicht gelten. Die Entscheidungsfindung bei den Grünen laufe auf breiter Ebene, es habe gerade in den vergangenen Jahren Zeit eine intensive Strategiedebatte gegeben. "Kritik kommt häufig von denen, die für ihre Positionen keine Mehrheiten gefunden haben", sagt er. Klar sei, dass sich die Grünen inhaltlich verbreitern und ihre sozialpolitische Kompetenz ausbauen müssten. Wallner: "Die besondere Herausforderung wird sein, Politik zu machen und nicht nur Politik zu kommentieren." Brosz verweist darauf, dass es bei den Grünen klar strukturierte Entscheidungsprozesse gebe, "und es gehört zu einem demokratischen Prozess, dass man Entscheidungen, wenn sie gefallen sind, auch akzeptiert".

Die Grünen wollten sich künftig noch stärker um Lebensrealitäten kümmern. Brosz: "Das hat mit Populismus nichts zu tun. Das hieße, dass man den Leuten nur sagt, was sie hören wollen." Er sei jedenfalls nicht bereit, Positionen zu verändern, nur um damit Wähler anzusprechen, die mit Positionen der Grünen vielleicht gar nichts anfangen könnten. Brosz: "Da muss man klare Grenzen ziehen."

Erklärungsbedarf

Maria Vassilakou hatte am Wochenende ausgiebigen Erklärungsbedarf, um ihre Grenzen zu definieren. Nach Erscheinen eines Interviews im STANDARD, in dem sie festgestellt hatte, dass in der Flüchtlingspolitik auch über Obergrenzen diskutiert werde, soll bei der Wiener Vizebürgermeisterin das Telefon heißgelaufen sein. Dass über Obergrenzen überhaupt diskutiert wird, ist offenbar keine Position, die sich eine Grüne leisten kann. Mit einer Klarstellung kam Vassilakou dann gar nicht aus, es wurden drei. Der Sukkus: "Ich bin strikt gegen politisch verordnete Obergrenzen." Und: "Flüchtlinge sind willkommen."

Die Aufregung in den grünen Führungsgremien war offenbar enorm. Nach Peter Pilz die nächste prominente Grüne, die einen Richtungswechsel in der Flüchtlingspolitik andenkt, das durfte offenbar nicht sein. Dabei hatte Vassilakou keineswegs eine Obergrenze gefordert, sondern lediglich festgestellt, dass diese Diskussion geführt werde und dass man sich ihr stellen müsse: Schließlich gerieten Hilfsorganisationen an den Rand ihrer Belastbarkeit.

Nächtliche Telefonate

Noch in der Nacht telefonierten grüne Mitarbeiter andere Medien durch: Alles nicht wahr. Das Interview im STANDARD war allerdings autorisiert und auf nochmalige Nachfrage wörtlich abgesegnet.

Gerade in der Flüchtlingsfrage sind Abweichungen von der grünen Position "Flüchtlinge sind willkommen" offenbar besonders heikel. Peter Pilz wurde für die von ihm vertretene Position "lieber weniger als mehr Flüchtlinge" beim Bundeskongress vor einer Woche rhetorisch hingerichtet.

Keine Zweideutigkeiten

Die Diskussion um einen "linken Populismus", wie Pilz das formuliert hat, läuft jedenfalls nicht so recht an. Wallner sagt dazu: "Ich halte es für besonders gefährlich, wenn links drauf steht, in Wirklichkeit aber 'rechts blinken' drinnen ist. Da darf es bei uns keine Zweideutigkeiten geben." Er sei übrigens "sehr froh, dass Vassilakou ihre Position zu den Obergrenzen klargestellt hat, wenn da etwas missverständlich kommuniziert sein sollte".

Georg Willi, Nationalratsabgeordneter und Landessprecher der Tiroler Grünen, hat für die internen Kritiker nicht viel übrig: "Ich empfehle denjenigen, die jetzt jammern, dort wo sie Sitz und Stimme haben, den Mund aufzumachen", sagt er. Was Willi aber bemängelt: "Auch die Grünen tendieren zum Zentralismus." Gewisse Entscheidungen gehören seiner Ansicht nach aber vor Ort getroffen, die Potenziale im ganzen Land könnten besser genutzt werden. "Die Bundesländer sollten öfter in einen Wettbewerb der besten Ideen treten."

Behäbigkeit der Partei

Die Grünen brauchen keine Debatte um Führung und Personal, sondern um Grundsätze, sagt der Vorarlberger Grünen-Sprecher und Umweltlandesrat Johannes Rauch. Er vermisst klare Positionen und Lösungsvorschläge seiner Partei zu konkreten Problemen wie Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Armut. Rauch will das Feld nicht der FPÖ überlassen und fordert ein Ende der Behäbigkeit seiner Partei. "Da geht es nicht um Schlagzeilen, um Meinungsumfragen, um all das taktische Geplänkel. Wir brauchen einen parteiinternen Diskurs." Die Debatte um Inhalte, Sprache, Vermittlungsformen soll spätestens beim erweiterten Bundesvorstand im Jänner beginnen. Was die Flüchtlingspolitik betrifft, ist für Rauch klar: "Menschenrechte und Genfer Flüchtlingskonvention sind nicht verhandelbar."

Die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Rössler kann die interne Kritik "inhaltlich nicht teilen und auch nicht nachvollziehen". Rössler empfahl den Kritikern, innerparteiliche Reflexionsprozesse in den internen Gremien zu führen. Dazu gebe es aus ihrer Sicht auch genug Raum.

Unterschiedliche Meinungen

"Ich sehe es nicht tragisch, wenn es einmal unterschiedliche Meinungen innerhalb der Partei gibt." Parteimitglieder, die sich wünschen, umfassender zu gewissen Themen zu diskutieren, müssten nach Rösslers Ansicht selbst dafür sorgen.

Die grüne Partei habe einen "Reifungsprozess, der gut ist" hinter sich, sagt Rössler. Themen könnten bei den Grünen nun auch aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden: Aus der Sicht einer Regierungsverantwortung in den Bundesländern und aus Oppositionsseite im Nationalrat. Für Rössler eine "spannende neue Konstellationen, die ich als Chance sehe".

Apparat am Tropf

Böse Worte zu der Debatte findet – wieder einmal – Johannes Voggenhuber, ehemals EU-Abgeordneter, nun grüner Dissident: "Solange es inmitten zusammenbrechender Altparteien und ihrer freigewordenen Wählerschaft da und dort wenigstens stagnierende Wahlergebnisse oder gar mikroskopische Gewinne gab, konnte das Trio infernal aus Glawischnig, Grosz und Wallner die Grünen zu einem bloßen Marketingunternehmen umfunktionieren, zu einem Apparat am Tropf der höchsten Parteienförderung der Welt, zu einem Postenkarussel immer gleicher Funktionärinnen." (jub, mika, ruep, völ, 30.11.2015)