Es gibt sie noch, die herrlichen Überraschungen, auch nach bald 20 Jahren Piemont (in ohnehin allzu oft denselben Lokalen). Ich darf Ihnen das Scannabue ans Herz legen? Eine Mischung aus Brasserie und Osteria, mit in dieser Kategorie wirklich herausragender Küche? Nicht unbedingt gediegen gelegen, nahe des Turiner Bahnhofs – aber einfach gut?

Treten Sie näher:

Paradeiserspeis

Nicht rasend originell, vor allem im Herbst, auch wenn es 2015 ein besonders heißer war. Aber schon einmal sehr gut: Gazpacho grüßt aus der Küche, mit erfreulich kantigem Olivenöl.

Foto: Harald Fidler

Frohkost

Warum allein Carne Cruda, wenn man dreierlei davon haben kann? Klassisch geschabt, grob, gut im Vordergrund. Ganz hinten als Carpaccio mit kräftigem Castelmagno. Und im Mittelfeld faschiert mit Dotter-Senf-Mayo, recht wuchtig, ziemlich gut.

Foto: Harald Fidler

Habt Acht!

Finissima di Polpo – gedämpfter, butterzarter Oktopus mit höchst cremigem geräuchertem Erdpäpfelpüree.

Foto: Harald Fidler

Kanin-Tun

Kann man zu dieser gewaltigen Portion noch Kaninchen sagen? Tonno di Coniglio, mariniertes Kaninchen also, warum auch immer das Thunfisch genannt wird, klassisch mit roter und grüner Sauce. Groß, zweifellos, und auch im Geschmack.

Foto: Harald Fidler

Die fette Mittelschicht

Parmigiana, bisserl dunkel geraten, aber, ich zitiere: "Wunderbar, sogar für jemand, der keinen Parmesan mag, butterweich."

Foto: Harald Fidler

Kopffüßlernudel

Eigentlich hätten das ja die Tagliatelle mit Sardinen, Mandeln, Fenchel und Orange werden sollen, aber die waren aus. Aber Pasta mit Calamari gab's, sehr intensiv, wie einiges hier – und ziemlich gut – wie fast alles hier.

Foto: Harald Fidler

Ochsen-Ufo

Ich würde ja nicht auf die Idee kommen, Ochsenschlepp mit soviel Zitrone und auch ordentlich Ingwer zu kombinieren – aber deshalb ist es ja auch viel vernünftiger, wenn ich esse, und andere sich das ausdenken und umsetzen. Definitiv der beste Primo im Dreiervorschlag: Bottoni Pasta.

Foto: Harald Fidler

Milch und Fisch

Klingt eigen, schmeckt mehr als nur schlüssig: Kabeljau-Confit mit milchiger Burrata und knusprigem Lauch. Der Lauch woher sonst als aus Cervere, frag' ich Slow-Food-Fördergreis, natürlich rein rhetorisch.

Foto: Harald Fidler

Süßer kämmen

Dass ich Finanziera mag, ist kein großes Geheimnis. Hier wird der piemontesische Klassiker voller schöner Dinge vom Hahn, von Kamm bis Niere, Leber und was sich sonst noch findet, mit Marsala gepimpt und durchaus beherzt mit Essig ausbalanciert. Yeah.

Foto: Harald Fidler

Eine Zwiebel voller Käse

Und wenn die Finanziera noch so gut (und üppig) war: Ich habe dann doch ganz richtig gewählt. Die Taube, eine reine, gerade richtig blutige Freude. Die gebackene Zwiebel voller Toma Genzianella eine dicke Wucht.

Foto: Harald Fidler

Haselnuss an Haselnuss

Ich vermute ja, nur Touristen und Vielfraße wie ich nehmen hier drei Gänge plus Dessert – aber was soll's. Die Touristin an meiner Seite entschied sich nach ihrem langen Marsch durchs Saure für das Trio von der Haselnuss – Eis, eine saftige Soft Cake und, recht geil, mit einer Art Eierlikörcreme. Kein Fehler.

Foto: Harald Fidler

In der Tarte

Aber: Ein Alzerl spannender schien mir noch meine wirklich prächtige, aber auch prächtig süße Tarte Tatin mit, so sagte jedenfalls die Karte, Creme Fraiche.

Scannabue in Turin (Link)

11 Gänge, ein bisschen Wein, viel Wasser, Kaffee: 166 Euro.

Das nächste Mal, und das muss es geben, probier' ich noch das traditionelle Menü – für 30 Euro. Wenn ich wen find, der oder die es mit mir nimmt, das gibt's erst ab zwei Personen. (Harald Fidler, 1.12.2015)

Foto: Harald Fidler