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AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry und ihr Lebensgefährte, Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen, beim Bundesparteitag.

Foto: APA/EPA/JULIAN STRATENSCHULTE

Hannover – Für Frauke Petry bieten diese Tage allerhand Premieren. Am Freitagabend war sie zum ersten Mal als AfD-Parteichefin am Bundespresseball im Berliner Hotel Adlon. Der wird zwar von den deutschen Hauptstadtjournalisten organisiert, der "Lügenpresse" also, die Petry selbst nun als "Pinocchio-Presse" bezeichnet. Aber das tat der Feierlaune keinen Abbruch. Mitgebracht hatte Petry ihren neuen Lebensgefährten, den nordrhein-westfälischen AfD-Chef Marcus Pretzell. Das ist jener AfD-Politiker, der sich zur Not auch den Gebrauch von Waffen gegen Flüchtlinge an den deutschen Grenzen vorstellen kann. Es wurde viel getuschelt, schließlich hat Petry zuvor den Vater ihrer vier Kinder verlassen. Und sie hat auch versucht, Pretzell in den Bundesvorstand zu kooptieren.

Am Samstag eilte Petry dann nach Hannover, zum Bundesparteitag der AfD. Und dort konnte sie vor den Delegierten schon wieder eine Premiere vermelden: "Es ist der erste Parteitag, den wir in großer Einigkeit organisiert haben." Jubel, Applaus, zustimmendes Nicken. Petry hatte sich Anfang Juli auf einem äußerst hitzigen Parteitag in Essen – quasi im Showdown – gegen den damaligen Parteichef und Parteigründer Bernd Lucke durchgesetzt.

Stille Revolution

Der Ökonom hatte die AfD eigentlich aus Protest gegen die Euro-Rettungspolitik der deutschen Bundesregierung gegründet. Doch nach und nach hatten Parteikollegen wie Petry, Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland und der Thüringer Chef Bernd Höcke die Themen vorgegeben: Gegen Zuwanderung, gegen angebliche Islamisierung des Landes, für Familien, für mehr Sicherheit. Luckes Anhänger traten daraufhin aus der AfD aus, der Ökonom gründete eine neue Bewegung (ALFA), und so ist Petry an diesem ersten Adventwochenende in Hannover die unangefochtene Chefin.

Die Stimmung ist gut im Congress Centrum von Hannover. Im Sommer lag die AfD nur noch bei drei Prozent, jetzt wird sie in Umfragen bundesweit bei zehn Prozent gesehen. Und Petry will noch mehr: "Wir haben ein Potenzial von 20 Prozent", ruft sie den Delegierten zu. Derlei Selbstbewusstsein hatte zuvor auch schon ihr Co-Chef Jörg Meuthen gezeigt und erklärt, bei der Bundestagswahl 2017 könne die AfD durchaus auf ein zweistelliges Ergebnis kommen.

Warum, das erklärt Petry so: "Die selbstherbeigeführte Migrationskrise verdeutlicht die Ohnmacht der Konsensparteien. Sie haben keine Ideen, keine Rezepte." Sie betont auch: "Zu negieren, dass es einen Zusammenhangt zwischen unkontrollierter Einwandung und Terrorismus gibt, ist Naivität, der wir uns nicht anschließen wollen."

Markenkern Asylpolitik

Es geht in ihrer Rede zwar auch um ein paar Parteiinterna. Aber hauptsächlich kritisiert Petry die Asylpolitik der deutschen Regierung. Für den Parteienforscher Oskar Niedermayer ist – aus Sicht der AfD – nachvollziehbar, dass die Partei sich nun völlig der Kritik an der deutschen Asylpolitik verschrieben hat: "Noch vor einem halben Jahr dachte man, die AfD sei politisch erledigt. Aber dann verschaffte ihr die hohe Anzahl von Flüchtlingen wieder Aufwind, jetzt macht sie die Asylpolitik zu ihrem Markenkern", sagt der Politologe von der Freien Universität Berlin (FU) zum STANDARD.

Petry hat jetzt Kanzlerin Angela Merkel im Visier."74 Prozent der Deutschen sind für Asylobergrenzen. Sie werden nicht gehört, so wie bei den Euro-Rettungspaketen zu Griechenland." Denn Merkel habe "ihren Regierungsauftrag aufgegeben". Sie habe erklärt, es nicht in der Hand zu haben, wie viele Flüchtlinge nach Deutschland kämen. "Frau Merkel, treten Sie zurück. Sie schaffen das!" sagt Petry, und die Delegierten jubeln.

Doch Petry will nicht nur Chefin einer Oppositionspartei sein, "die immer nur Nein sagt". Sie erklärt: "Die AfD benennt nicht nur Probleme, sie bietet auch Lösungen." Diese sehen so aus: Kontrollen an allen deutschen Grenzen, Asylanträge dürfen nicht mehr in Deutschland gestellt werden, nur noch in deutschen Botschaften der Herkunftsländern gestellt werden. Zudem will Petry nur noch Sach- statt Geldleistungen für Flüchtlinge und Asylverfahren binnen 48 Stunden.

"Schön deutsch bleiben"

"Da ist er!" rufen plötzlich Fotografen, rennen zum Eingang und bringen ihre Kameras in Position. Am Nachmittag erst gibt Björn Höcke, AfD-Landeschef aus Thüringen, dem Parteitag die Ehre. Langsam geht er durch die Reihen der Delegierten, grüßt hier und dort, lächelt und winkt. Er genießt seinen Auftritt sichtlich. Eigentlich ist er nicht einmal "einfacher Delegierter", sondern nur Gast, er hat auch keine Funktion im Bundesvorstand. Doch Höcke ist der Vertreter des ganz rechten Flügels der AfD, ein Scharfmacher, der immer wieder für Aufregung sorgt. Mal drapiert er in einer Talk-Show bei Günther Jauch eine Deutschlandfahne auf seinem Stuhl, dann wieder erklärt er, warum er nicht so viele Syrer in Deutschland haben will, so: "Der Syrer, der zu uns kommt, der hat noch sein Syrien. Wenn wir Deutschland verloren haben, dann haben wir keine Heimat mehr." Thüringens Landeshauptstadt Erfurt, findet er, "soll schön deutsch bleiben".

Petry hat vor Kurzem klar gestellt, dass Höcke nicht für den Bundesvorstand sprechen könne, er ist ihr zu radikal. Doch Höcke kümmert das wenig, er hat zudem in Alexander Gauland einen Fürsprecher. Der hat allerdings auch gerade für Aufregung gesorgt. Als in Cottbus eine ZDF-Reporterin von AfD-Demonstranten beschimpft und an ihrer Arbeit gehindert wurde, erklärte Gauland, er könne schon verstehen, dass die Menschen dieses "Willkommensfernsehen" – also eine einseitige Berichterstattung über die Flüchtlingskrise – halt einfach nicht mehr sehen könnten. Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) erklärte daraufhin: "Jeder Angriff auf Journalisten ist ein Angriff auf unsere Demokratie."

Die Demokratie nimmt der AfD an diesem Samstag auch noch die Frischluftzufuhr. Ohnehin ist der Tagungsort abgeriegelt, das Polizeiaufkommen massiv. Am Nachmittag machen sich viele Demonstranten, die gegen die Asylpolitik der AfD-protestieren, auf den Weg zum Congress Centrum. "5000 wollen kommen", sagt der Parteitags-Leiter und warnt die Delegierten: "Zeigen Sie sich nicht, bleiben Sie in der Halle, und wenn Sie hinaus gehen, dann nur in kleinen Gruppen." (Birgit Baumann aus Hannover, 28.11.2015)