"Ich fürchte, dass sich die akademischen Forscher zu sehr auf Computermodelle verlassen, die schon das Wetter vom nächsten Tag nicht viel besser vorhersagen können als mein Froschteich", schreibt Alan. "Und weil jedes Argument mit simulierten Datenmengen in nichtlinearen chaotischen Systemen unterstützt werden kann, wenn man die Eingangsdaten nur ganz geringfügig ändert, können so viele Wissenschafter, egal ob von Regierungen oder von der Privatindustrie bezahlt, zu falschen Schlussfolgerungen kommen."

Alan ist ein alter Schulfreund. Er lebt seit Jahrzehnten in Kalifornien, hat dort als Tontechniker und Community Organizer gearbeitet, entwirft und baut in Eigenregie Motorräder, beschäftigt sich, wie ich mich überzeugen konnte, intensiv mit wissenschaftlicher Literatur. Und dass die Klimaerwärmung von Menschen verursacht sein soll, hält er für einen Schwindel.

Alan in seiner Motorradwerkstatt in Kalifornien.
Foto: mf/privat

Als wir das von ihm hörten, waren wir ziemlich überrascht. Wir, das sind seine Freunde aus der Schulzeit, neben mir noch Matthias, Sergio und Wulf. Wir fünf waren eine Art verschworene Bande, antiautoritär, gegen den Vietnamkrieg und für Bob Dylan, oft im Konflikt mit der Schulbehörde, "pro bono, contra malum", wie es die Zeitschrift pardon so schön ausdrückte. Wir waren unzertrennlich.

Natürlich trennten uns die Lebensläufe dann doch. Vier blieben immerhin einigermaßen in geografischem Kontakt. Alan hingegen verschlug es via England und Brasilien eben an die Westküste, in eine sehr andere soziale und geistige Umgebung. Aber Wulf denkt, dass die Wurzeln seiner Opposition viel früher zu suchen sind. "Alan war immer ein eingefleischter Nonkonformist", meint er. "In einer Diskussion sagte er einmal, dass nicht Gott den Menschen, sondern der Mensch Gott geschaffen habe", und das war für einen gerade 13-Jährigen und noch Gläubigen eine große Provokation. Alan war offenbar mit den religionskritischen Gedanken des Philosophen Feuerbach schon vertraut, als wir noch glaubten, dass das ein Nebenfluss der Donau ist.

Wider die Political Correctness

Sergio erinnert sich, dass Alan politische Korrektheit bereits ablehnte, als es diesen Begriff noch gar nicht gab, und sich in seinen Ansichten auf seine eigene, konkrete technische Praxis verließ. Zugleich gibt Sergio – selbst Arzt und Forscher – zu bedenken, dass wir nur wenige Phänomene aufgrund direkter persönlicher Erfahrung beurteilen können. Das meiste erfahren wir von anderen, von Medien, die wiederum vor allem vorherrschende Ansichten – etwa von Wissenschaftern – wiedergeben, und das nicht unbedingt richtig. "In den wenigen Fällen, in denen man selbst etwas Genaues über einen Sachverhalt weiß und das mit der Berichterstattung vergleicht", sagt er, "merkt man, wie irreführend oder falsch diese Nachrichten sein können." Und solchen Medien würde Alan nicht trauen.

Alan (li.) erklärt Sergio, wie das mit dem Klimawandel ist, Wien 2015.
Foto: mf/privat

Aber welchen dann? Ich frage mich schon lange, ob ich nicht auch in die Lage gerate, die ich Andersdenkenden, zum Beispiel Alan, vorwerfe, nämlich in einer Echokammer vor allem die An- und Einsichten reflektiert zu bekommen, zu denen ich sowieso tendiere; Echos im "juste milieu", denen auch die Meinungsmacher nicht entkommen – gerade die nicht. Denn in der Klimaforschung kennen sie sich so wenig aus wie ich. Wer hat wirklich den mehr als 4000 Seiten langen fünften Sachstandsbericht der drei Arbeitsgruppen des Zwischenstaatlichen Ausschusses über Klimaveränderung (IPCC) gelesen, geschweige denn verstanden? Wobei diese Skepsis auch denen gegenüber angebracht ist, die glauben, es anders und besser zu wissen.

Bildungsroman und "le waldsterben"

Also frage ich Alan, woher er sein Wissen bezieht. Seine Antworten ähneln einem gerafften Bildungsroman. Da waren die radikalen Professoren aus seiner College-Zeit, die das Ende der Ölreserven für 1985 voraussagten. Da war die seiner Ansicht nach vom Konzern DuPont manipulierte Angst vor einer gefährlichen Abkühlung der Erde, keine 40 Jahre her und von einem Teil der Scientific Community ernst genommen. Er las die Prognosen, dass China kollabieren wird, dass wir im Ozonloch untergehen werden usw. (Mir fällt dazu noch das berühmte Waldsterben ein, das in den 1980er-Jahren prognostiziert wurde und vor dem zumindest einige engagierte Forscher warnten; es handelte sich offenbar vor allem um eine Obsession in deutschsprachigen Ländern – "le waldsterben", wie sich die Nachbarn mokierten.)

Je mehr Alan las, desto mehr kam er zur Überzeugung, dass hier nicht die praktische Vernunft am Werk sei, sondern Ideologien und Wunschdenken – und seien es auch nur Weltuntergangsfantasien. Dementsprechend hält er bis heute nichts von den Warnungen des IPCC. "Hier ist ein Link zu einer klaren wissenschaftlichen Argumentation", schreibt er, "die die CO2-Panikmache betreffend anthropogenen Klimawandel widerlegt": www.youtube.com/watch?v=nq4Bc2WCsdE. Das ist ein simpler, kurzer Zeichentrickfilm à la South Park. Ein kluger Junge erklärt einem nicht ganz so klugen, von Umweltschutz bewegten Mädchen, was Sache ist, nämlich dass vor allem deswegen über "man-made global warming" geforscht wird, weil man dafür viel Geld lockermachen kann.

Damals unzertrennlich: Alan, STANDARD-Autor Michael Freund, Sergio und Matthias (v. li.) in der sechsten Klasse Gymnasium.
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Der große Klimaschwindel

Alan schickt mir auch einen zweiten Link, zum TV-Dokumentarfilm The Great Global Warming Swindle: www.youtube.com/watch?v=52Mx0_8YEtg. In einer Version auf Youtube hat er an die 130.000 Hits, nicht schlecht für eine 76 Minuten lange Doku. Wenn ich nur diesen Film gesehen hätte und sonst nichts, ließe ich mich überzeugen, dass die Hinweise auf anthropogenen Klimawandel tatsächlich ein Schwindel sind. Allerdings finde ich im Netz genügend Hinweise, wie umstritten und offenbar auch fehlerhaft diese Doku von 2008 war. Und es bliebe mir immer noch die Mühe, zu den Quellen vorzudringen und zu bewerten, auf wie sicherem oder (wie Alan meint) wackligem Boden die IPCC-Daten stehen.

Alan ergänzt, dass er mit den Ansichten von Warnern wie dem Ex-Vizepräsidenten Al Gore (An Inconvenient Truth) und von Skeptikern und "Negationisten" wie dem britischen Journalisten James Delingpole oder dem Fox-TV-Star John Stossel vertraut ist. Auf meine Frage, warum denn nur die Warner von nicht näher definierten Geldgebern unterstützt sein sollen oder wegen der Fördertöpfe die Klimagefahren aufbauschen, geht er nicht ein; auch nicht auf die weitere Frage, wer denn die Klimawandelleugner finanziert. (Was ist zum Beispiel mit den Koch-Brüdern? Viel über diese Zusammenhänge nachzulesen gibt es in Naomi Kleins Buch This Changes Everything: Capitalism vs. The Climate, auf das mich mein Sohn Philipp aufmerksam gemacht hat.)

Der Libertäre auf dem Land

Er schreibt mir stattdessen, dass seine Skepsis gegenüber Regierungsmaßnahmen und oktroyierten Mainstream-Meinungen ihn zum Libertären gemacht hat. "Ich sehe die Trennlinie vor allem als soziopolitisches Schisma zwischen den städtischen und den dünn besiedelten ländlichen Gebieten." Das merke man vor allem in den USA. "In den Städten ist Umwelt ein ständiges Thema, und was nicht urban ist, wird als Gegend betrachtet, über die man drüberfliegt. Auf dem Land hingegen müssen die Menschen selbstständig ihr Leben organisieren, das heißt: weniger Herdeninstinkt, mehr Individualität, politisch und im Denken allgemein. Das zeigt sich in den Vereinigten Staaten auch in den politischen Rechts-links-Verteilungen."

Die fünf Freunde Matthias, Wulf, Alan, Michael und Sergio sowie Alans Schwester Yvi und seine Mutter Mara, die im Februar 2015 in Wien ihren 90. Geburtstag feierte.
Foto: mf/privat

Alans Mutter Mara, eine kluge und lebenserfahrene Frau, glaubt, dass Alan aufgrund seiner Lebensweise als Individualist in den kalifornischen Wäldern – pro Waffen und contra jede Einmischung durch Washington – bereits früh zu den Republikanern tendierte, daher vor allem Fox TV schaute und seither von deren Propaganda beeinflusst wird. Ob andererseits das Gegenteil, in unserem Fall die Gewissheit einer von Menschen verursachten globalen Erwärmung, die felsenfeste Wahrheit ist, dessen ist sie sich so wenig sicher wie die Schulfreunde.

Sergio kann viele wissenschaftliche Sicherheiten aufzählen, die sich im Lauf der Geschichte als falsch herausgestellt haben – etwa, wodurch Malaria oder Skorbut verursacht werden. Wulf – Arzt, Psychologe und Leiter eines wissenschaftlichen Fachverlags – wirft ein, "dass in der Wissenschaft alle Schlussfolgerungen auf Untersuchungen basieren, die Individuen mit den unterschiedlichsten Voreinstellungen und kognitiven und psychologischen Voraussetzungen gemacht haben". Dafür gebe es dann Metaanalysen. "Die reduzieren die Unsicherheit im Hinblick auf die Allgemeingültigkeit einzelner Befunde deutlich", und das sei für ihn im Fall Klimawandel doch einigermaßen gegeben.

Argument gegen Argument

Was bleibt unterm Strich? Ich habe einmal gelernt, dass ein wissenschaftliches Paradigma so lange gilt, bis sich die empirische Evidenz dagegen unübersehbar angehäuft hat (lies nach bei Thomas Kuhn). Allerdings habe ich überhaupt nicht den Eindruck, dass dies in der Klimadebatte der Fall ist. Bei allem Respekt vor Alan komme ich doch zum Schluss, dass es vernünftiger ist, auf Technologien zu verzichten, die die Erde unwiederbringlich ausräumen und die Umwelt ruinieren, egal ob es in 20 Jahren wärmer sein wird oder nicht und ob die Menschen dran schuld sind oder nicht.

Für Alan sind Versuche, dies zu regulieren, Eingriffe von Regierungen und Institutionen, die noch dazu mit manipulierter Forschung argumentieren. Für mich ist im Gegenteil das Argument vom freien Spiel der Kräfte die eigentliche Ideologie, die sich ihrerseits genehmer Daten bedient.

Und Schulfreund Matthias? Der ist in Indien unterwegs und hat wahrscheinlich Besseres zu tun, als meine Anfragen im Internet zu beantworten. Warm genug wird ihm jedenfalls sein. (Michael Freund, 28. 11. 2015)