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Ein Mann steckt sein E-Auto von einer der freien Ladestationen in Oslo ab.

Foto: REUTERS/Alister Doyle

Die jüngsten Spekulationen über einen groß angelegten Einstieg des IT-Riesen Apple in das Elektroauto-Geschäft erscheinen, wenn man sich die steil nach oben verlaufenden Marktkurven der Branche aus den vergangenen Jahren anschaut, durchaus plausibel. In Europa steht an der Spitze des Booms mit Norwegen ausgerechnet jenes Land, das gleichzeitig über die größten Erdöl- und Erdgasreserven des Subkontinents verfügt.

Das Elektroauto ist als technische Erfindung rund ein halbes Jahrhundert älter als der Verbrennungsmotor. Der Schotte Robert Anderson baute den ersten Prototyp bereits in den 1830er Jahren. Die ersten brauchbaren Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor tauchten hingegen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf.

Verbrennungsmotor setzte sich durch

Eine Zeitlang war es ungewiß, welche der beiden Varianten die erfolgreichere sein würde. Erst nach dem Esten Weltkrieg schlug das Pendel – unter anderem wegen der gigantischen Ölfunde in den USA, den erzielbaren, höheren Geschwindigkeiten und der billigeren Herstellung zugunsten von benzin- und dieselgetriebenen Straßenfahrzeugen aus. Diese Dominanz blieb trotz kurzzeitiger Renaissancen während verschiedener Kriege und Wirtschaftskrisen weltweite bis heute bestehen.

In Norwegen geht die besondere Entwicklung, die zum heutigen Erfolg der E-Autos führte, im Wesentlichen auf das Jahr 1989 zurück. Damals importierten der Gründer der Klimaschutz-Organisation Bellona, Fredric Hauge, sowie zwei Mitglieder des international damals höchst erfolgreichen Pop-Trios a-ha das erste Elektroauto moderneren Zuschnitts nach Norwegen. So lautet jedenfalls eine heute überall anerkannte Medienlegende. Wie dem auch genau war, die Regierung in Oslo – geführt von der Sozialdemokratin Gro Harlem Brundtland – spielte mit und schaffte im Jahr darauf die Importsteuer auf Elektromobile ab.

Werbung in Lillehammer

Mit dem Aufkommen einer eigenen Elektro-Auto-Branche in Norwegen nahm die Entwicklung Fahrt auf. Die später unter dem Namen Think international erfolgreichen Produzenten PIVCO warben 1994 während der Olympischen Winterspiele in Lillehammer für ihre E-Mobile. Schrittweise folgten weitere Anreize: Die Anmeldesteuer wurde exklusiv für Autos mit Elektroantrieb reduziert, die Straßenmauten fielen weg, ebenso die Parkgebühren. Steuererleichterungen gab es auch für Hersteller und Händle. Dazu gehörte die vollständige Mehrwertsteuerbefreiung von Elektrofahrzeugen im Jahr 2001.

Heute genießen die Lenker von E-Mobilen in Norwegen noch weiter reichende Vorrechte Sogar das Aufladen der Akkus ist bis heute an staatlichen Elektrotankstellen gratis möglich. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass der elektrische Strom in Norwegen zu 99 Prozent aus Wasserkraft kommt und im europäischen Vergleich sehr günstig ist. Norwegen ist nicht nur der größte Erdölproduzent Europas, sondern dank der Geographie mit seinen zerklüfteten Fjorden auch der weltweit fünft- bis sechstgrößte Produzent von Wasserenergie.

So gesehen ist es umso verständlicher, dass sich in der norwegischen Energiepolitik nach und nach ein parteienübergreifender Konsens in Bezug auf elektrisch betriebene und somit abgasfreie Fahrzeuge herausgebildet hat, der bis zum heutigen Tag hält. Im Jahr 2012 wurde dieser Konsens förmlich verankert. Damals beschlossen die Parlamentsparteien rechts und links der Mitte mittels einer gemeinsamen Erklärung, sämtliche Vergünstigungen für E-Mobile zumindest bis zum Jahr 2018, beziehungsweise bis zu dem Zeitpunkt aufrecht zu erhalten, wenn auf Norwegens Straßen 50.000 abgasfreie Fahrzeuge unterwegs sind.

50.000. Fahrzeug

Die letztgenannte Schwelle ist unterdessen bereits überschritten: Im April dieses Jahres wurde das 50.000. E-Mobil in Norwegen zugelassen. Im ersten Quartal 2015 erreichte der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Neuzulassungen knappe 23 Prozent. Damit liegt Norwegen im Europavergleich einsam an der Spitze vor den Niederlanden (3 Prozent), Schweden (1,6 Prozent) und der Schweiz (1,5 Prozent).

Österreich hinkt beim E-Mobil-Boom deutlich hinterher. Hierzulande sind derzeit schätzungsweise 3.500 Elektroautos zugelassen – bei einem aktuellen (30. September 2015) Fahrzeugbestand von 4,7 Millionen Pkw ein geradezu verschwindender Anteil. Aber immerhin lag Österreich bei den E-Mobilzulassungen zuletzt noch knapp vor der Auto-Großmacht Deutschland.

Obwohl Norwegen für seine Vorreiterrolle international gepriesen und bewundert wird, gibt es auch kritische Stimmen. Diese kommen zum Teil von den Autorfahrerklubs und zum Teil indirekt aus der Erdölindustrie und den damit zusammenhängenden Wirtschaftszweigen des Landes. "Wenn alles elektrisch wird, verlieren sie natürlich eine Menge Geld", meint etwa der Sprecher des Elektroauto-Fahrervereins Elbilforeningen, Petter Haugneland gegenüber dem STANDARD, "aber bisher haben sie sich zumindest nicht offen gegen die Elektroautos gestellt."

Staatliche Förderungen vorausgesetzt

Die immer wieder aus verschiedenen Ecken vorgebrachten Argumente gegen den Elektroautoboom beziehen sich zum Großteil auf die staatlichen Federungen. Diese gelten als marktverzerrend. Der norwegische Autofahrerklub NAF etwa argumentiert, dass ohne die massiven staatlichen Förderungen der Boom schnell wieder abklingen werde. Es seien nur deshalb so viele Lenker auf ein E-Mobil umgestiegen, weil mittlerweile sowohl Anschaffung als auch Betrieb eines Elektroautos in Norwegen derzeit unterm Strich den Privathaushalt billiger komme, als ein herkömmliches, mit Benzin oder Diesel betriebenes Auto.

Befürchtet wird mancherseits auch, dass sich ein Teil der Vergünstigungen mittel- und langfristig negativ auf den öffentlichen Verkehr auswirken könnte, weil der Individualverkehr durch die E-Mobil-Zulassungen statistisch gesehen insgesamt ansteigt. Als anschauliches Beispiel malen Kritiker chronisch verstopfte Busspuren an die Wand, weil die Mitbenutzung derartiger Fahrbahnen für E-Mobile seit 2005 im ganzen Land grundsätzlich erlaubt ist.

Während die Zulassungszahlen von E-Mobilen in Norwegen in den vergangenen Jahren exponentiell nach oben schnellte, rechnet Elektroauto-Sprecher Haugneland im kommenden Jahrzehnt mit einem Abflachen der Kurve und mit einem zumindest teilweisen Verschwinden der staatlichen Zuckerl für E-Mobilbesitzer. Ein erster Schritt war 2011 die Einführung von kostenpflichtigen Schnellladestationen für ungeduldige oder in Eile befindliche Lenker.

Zwar brachen kurz vor dem Einsetzen des heutigen Booms die norwegischen Hersteller von Elektroautos weg – sowohl der damals bereits von Ford gekaufte norwegische Elektroautopionier Think als auch dessen Epigone Buddy gingen 2011 Pleite – international tut sich aber einiges.

Nissan und Tesla als Marktführer

Derzeit sind der japanische Fahrzeugriese Nissan und der US-Nobelelektroautobauer Tesla weltweite Marktführer bei den E-Mobilen. Auch die deutschen Hersteller Volkswagen und BMW mischen zusehends vorne mit. Wenn es Apple oder einem anderen Weltkonzern gelingt, eine ähnliche globale Revolution wie jene bei den Smartphones auszulösen, wird es vermutlich schon in zehn, zwanzig Jahren wohl auch in Österreich auf den Straßen deutlich leiser und feinstaubfreier zugehen als heute noch.

Ein Ende der eben erst begonnenen Erfolgstory des Elektromobils erscheint jedenfalls nicht absehbar. Das prognostizierte baldige Ende der Erdölreserven, die Immanenz des Klimawandels und die zu erwartenden Konsequenzen für die Weltbevölkerung sind gewichtige Argumente, die eine Reihe von Änderungen der Verkehrsstruktur auf dem Planeten dringend geboten erscheinen zu lassen. Sowohl den Unternehmen, als auch der Gesellschaft wird nichts anderes übrigbleiben, als sich so rasch wie möglich den Gegebenheiten anzupassen. (Andreas Stangl, 1.12.2015)