Christian Renk, Klarna-Geschäftsführer in Österreich: "Ich glaube, dass ein richtiger Tsunami auf die Banken zurollt."

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Die wenigsten können sich wohl namentlich an die unzähligen jungen Internetfirmen der späten 1990er-Jahre erinnern. Ist auch gar nicht nötig, denn der damaligen Euphorie zum Spott ist es gekommen, wie es hat kommen müssen. Wenn an der Börse haarsträubende Kennzahlen wie etwa eine Cash-Burn-Rate, also wie viel Geld ein Jungunternehmen pro Zeiteinheit verbrennt, konstruiert werden, ist das Platzen aller Zukunftsträume vorprogrammiert, ähnlich wie bei einer altersschwachen Seifenblase.

Aber eben nicht jede Internetfirma ist den Weg alles Sterblichen gegangen: Eines der Start-ups aus dieser Phase ist dem Kindesalter längst entwachsen und zu einem mehr als 300 Milliarden US-Dollar schweren Weltkonzern herangereift, der eine ganze Branche vor sich hertreibt: Amazon, der zum Unternehmen gewordene Schrecken aller herkömmlichen Einzelhändler.

Generalangriff auf die Banken

Der Internetpionier steht nun Modell für eine neue Generation an Start-ups, die ebenfalls einer gesamten Branche das Fürchten lehren wollen. Die Rede ist von sogenannten Fintechs, die derzeit in Hundertschaften wie Pilze aus dem Boden schießen und zum Generalangriff auf die Banken blasen.

Sie nutzen das Internet und auch die bereits weit fortgeschrittene Verbreitung von Smartphones, um Bank- und Finanzdienstleistungen schneller, günstiger oder bequemer – am besten alles zusammen – anbieten zu können. Und eine Branche, die sich in der Bevölkerung ohnedies keiner hohen Beliebtheitswerte erfreut und gerne auf wenig kundenfreundlichen Pfaden wandelt, bietet dafür reichlich Angriffsfläche.

Ein Beispiel: Wer mit etwas Geld auf der hohen Kante eine Bankfiliale betritt, bekommt von einem Betreuer in einfühlsamer Stimmlage erklärt, dass bei den Sparbuchzinsen trotz mehrjähriger Bindung an der Null vorm Komma bedauerlicherweise kein Weg vorbeiführe. Kommt kurz darauf ein anderer Kunde auf der Suche nach einem Konsumentenkredit, erklärt derselbe Mitarbeiter in nicht weniger mitfühlenden Worten, warum nicht auf einen Zinssatz verzichtet werden könne, der durchaus beim Zehnfachen von Einlagen liegen kann.

Den naheliegenden Gedanken, die Bank auszulassen und beide Kunden direkt zusammenzubringen, haben Fintechs aufgegriffen, die auf Plattformen sogenanntes Crowdlending anbieten. Kreditgeber und -nehmer einigen sich auf einen Zinssatz und der Anbieter lebt von Spesen und Gebühren für die Vermittlung.

Mangel an Vertrauen

So einleuchtend das Prinzip dahinter auch wirken mag, einen gewissen Wettbewerbsnachteil müssen Plattformen wie Auxmoney oder Lendico erst sukzessive wettmachen, nämlich einen Mangel an Bekanntheit und Vertrauen. Während der Bankenapparat von staatlicher Regulierung und Sicherheitsnetzen wie der Einlagensicherung profitiert, müssen sich Fintechs erst sukzessive als seriöse Alternativen etablieren. Branchenexperten rechnen damit, dass dieser Prozess mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird.

Dieses etwas überspitzte Beispiel soll zeigen, wie angreifbar die Banken in manchen Bereichen geworden sind. Geschäftsmodelle, die auf reinen Zinsdifferenzen aufbauen, könnten rasch der Vergangenheit angehören.

Das größte Aufmarschgebiet der neuen Konkurrenz für die Banken ist derzeitig der Zahlungsverkehr. Unzählige Start-ups bieten kreative und bequeme Lösungen an – wie die schwedische Klarna, die sich mit landesübergreifenden Sofortüberweisungen als Bindeglied zwischen dem Handel und den Banken versteht und dazu mit den Banken kooperiert. "Ich glaube, dass ein richtiger Tsunami auf die Banken zurollt", sagt Christian Renk, Klarna-Geschäftsführer in Österreich. "Gerade in die ertragreichen Bereiche drängen die Fintechs hinein." Zusammenarbeit hält er zumeist für beide Seiten für eine sinnvolle Lösung.

Gerade im Zahlungsverkehr stehen den klassischen Geldhäusern auch wesentlich mächtigere Herausforderer gegenüber. Längst haben Größen wie Apple, Samsung oder Google Bezahldienste in ihr Produktportfolio aufgenommen. Seit Sommer ermöglicht auch Facebook seinen US-Nutzern, sich über den Kurzmitteilungsdienst Messenger kostenlos Geld zu überweisen. Während für die vielen kleinen Fintechs schon mittelgroße Probleme aller Art das Aus bedeuten werden, verfügen diese Mitbewerber über ausreichend Kleingeld und einen entsprechend langen Atem.

Die umtriebigen Fintechs fordern in vielen weiteren Bereichen die Banken heraus, stets in der Hoffnung, deren weiche Flanke zu treffen. Neben dem bereits bekannten Crowdfunding setzen sich im Veranlagungsbereich auch Formen des Crowdinvesting durch, einer der bekannteren Anbieter ist die Wiener Wikifolio. Die Frankfurter CRX Markets ist ein Marktplatz für Lieferantenforderungen, die gebündelt und gegen einen Abschlag an Investoren verauktioniert werden. Die Lieferanten erhalten ihr Geld sofort, deren Kunden begleichen nach Ablauf des Zahlungsziels die Rechnung bei den Investoren. Eine Liste an jungen Fintechs mit kreativen Geschäftsideen ließe sich fast beliebig lang fortsetzen.

Zu komplex, zu vertraulich

Aber es gibt auch noch Teilbereiche, in denen die Banken derzeit noch unangreifbar wirken – etwa, weil Milliardenbeträge im Spiel sind, oder wegen hoher Komplexität oder Vertraulichkeit der Vorgänge. Dazu zählen Dienstleistungen bei großen Übernahmen oder Fusionen sowie die Platzierung von riesigen Anleihenemissionen, Kapitalerhöhungen oder Börsengängen. In anderen Bereichen werden sich die Banken sukzessive dessen bewusst, dass sie die Herausforderung durch Fintechs offenbar unterschätzt haben.

Im Vorjahr wurden laut der Beratungsgesellschaft Accenture mehr als zwölf Milliarden Dollar in Fintechs investiert, Tendenz stark steigend. Dadurch ist auch die Bewertung einiger Firmen derart in die Höhe geschossen, dass diese einigen Profianlegern schon zu heiß geworden sind, sie sprechen von einem Hype – ähnlich jenem der späten 1990er-Jahre. Aber auch diese Übertreibung wird neben jeder Menge Ausschuss auch jene Unternehmen hervorbringen, die wie Amazon eine ganze Branche umkrempeln werden. (Alexander Hahn, Portfolio, 03.1.2016)