Hatte bei seinem Rezital im Konzerthaus alles unter Kontrolle: Pianist Christian Zacharias.

Foto: Orchestre de Chambre de Lausanne und Nicole Chuard

Wien – Es gab Zeiten, da gehörten die Sonaten von Domenico Scarlatti – genauer gesagt: eine Handvoll von ihnen – zum pianistischen Standardrepertoire. Dass sie inzwischen etwas aus der Mode geraten sind, hat wohl mit einem gesteigerten aufführungspraktischen Bewusstsein zu tun.

In der Tat ist es nicht leicht, sie mit dem Sound eines Steinway und vom "Originalklang" geprägten Ohren in Einklang zu bringen. Christian Zacharias (geb. 1950) stellte nichtsdestotrotz gleich fünf Scarlatti-Sonaten an den Beginn seines Rezitals im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses – eines Abends, der unter dem Motto des Klassizismus zu stehen schien, ließ Zacharias doch auch Scarlattis spanisches Pendant Antonio Soler und einige von dessen ebenfalls zahlreichen Sonaten zu Wort kommen.

Zacharias versuchte hier keineswegs, Parameter aus der Alten Musik auf sein Instrument zu übertragen, sondern vertraute dessen Möglichkeiten vom kantablen Legato bis hin zum ausgiebig eingesetzten Pedal. Ergebnis war eine Reihe hübscher, doch allesamt in mittlerem Temperament angesiedelter Miniaturen: kultiviert gespielt, gerundet, aber doch auch recht gleichförmig.

Nicht weniger hübsch war die Ravel'sche Sonatine, ebenso wie die Schumann'sche Arabeske, die als erste Zugabe folgen sollte – doch wirkte beides derart gepflegt und kontrolliert, dass auch hier die durchaus vorhandenen Leuchtfeuer allzu matt blieben.

Kontrolliert, ja kalkuliert wirkte Zacharias auch agogisch, also in der Kunst, kleine Freiheiten im Zeitverlauf gesteigertem Ausdruck zunutze zu machen. Ganz besonders in einem Chopin-Block (mit den ersten beiden Scherzi und vier Mazurken): Das war alles tadellos musiziert und gestaltet. Es wirkte jedoch recht eingeübt, wenn Zacharias Zögern und Zäsuren wie nach dem stets selben Muster anbrachte. Dem Publikumszuspruch tat dies freilich keinen Abbruch. (Daniel Ender, 24.11.2015)