Bild nicht mehr verfügbar.

Der Ehemann (links), die schöne Gattin und die beiden Verehrer auf einem Fleck. Geroges Feydeau weiß, wie man es rundgehen lässt.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wien – "Nein, ich bereue nichts", singt Edith Piaf. Und stockt. Die Platte hängt. Bereut sie vielleicht doch doch doch ...? Um das zu klären, setzt sich in der Josefstadt nun für 100 Minuten eine unaufhaltsame Mechanik in Gang. Wie die Zahnräder eines perfekt kalibrierten Uhrwerks greifen Stichworte, Gesten und Bonmots dabei auf mitunter unwahrscheinlichste Weisen ineinander und treiben die Handlung ohne Verschnaufpause, dafür aber mit allerlei Verwechslungen und Slapstick voran. Ja, so geht Georges Feydeau!

Man gibt seinen Gockel. Zwischen olivgrüner Couchgarnitur und einem Dienstmädchen mit dem Gang eines dressierten Affen (Salka Weber) haben es sich der Anwalt Vatelin (Michael Dangl) und seine schöne Lucienne (Pauline Knof) gemütlich eingerichtet.

Gediegene Pattsituation

Was so friedlich scheint, ist in Wirklichkeit aber eine Pattsituation: Soll sie ihn mit seinem Freund Rédillon (Roman Schmelzer) betrügen? "Niemals als Erste, aber als Zweite sofort", lautet das hinter des Gatten Rücken offen ausgesprochene Motto der mäßig zufrieden Verheirateten – und nicht nur ihres. Auch das Ehepaar Pontagnac (Dominic Oley, Silvia Meisterle) hat seine Querelen, empfindet er sich doch lediglich als "ein bisschen verheiratet".

Grund dafür ist nicht zuletzt ein gesetzlich begründetes Ungleichgewicht: Entstanden ist Der Gockel zur Zeit des Code civil, da die Ehefrau quasi als Besitz des Mannes galt. Von der "Gewalt des Opferungsaktes Ehe" spricht Elfriede Jelinek noch 1986, als sie ihn gewitzt ins Deutsche übersetzt. Jene Fassung inszeniert Josef Köpplinger im 60ies-Look, der letzten Dekade vor der sexuellen Befreiung.

Rockschößchenjagd

Während die Männer also Rockschößchen (Kostüme: elegant von Alfred Mayerhofer) jagen, sinnen die Frauen auf Rache – zumindest jene, die nicht schon selbst die Zügel (Susa Meyer) oder Peitsche (Alexandra Krismer) in der Hand haben. Ein ständiges Kommen und Gehen in Privatgemächern und Hotelzimmern (weniger verwinkelt als die Handlung: die tolle Bühne von Judith Leikauf und Karl Fehringer) ist die Folge, hinterlässt aber unerlöst.

Zeit zum Nachdenken gibt es bei alldem weder für die Figuren noch fürs Publikum. Soll es auch nicht, denn gerade so funktioniert das Schema F(eydeau). 40 Reiz-Reaktions-Komödien hat er auf die Art gebaut, jede eine exakte Oberfläche, hinter der wenig andere Psychologie steckt als die einer Kettenreaktion, welche in ihrer Einfachheit aber allerlei menschliche Wesenszüge aufzuzeigen weiß.

Das läuft hier wie geschmiert, dafür gibt es verdient tosenden Applaus für das ganze Team. (Michael Wurmitzer, 21.11.2015)