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Bei der Vermessung vor der Saison durfte sich Stefan Kraft nicht strecken. Bei der Einkleidung des ÖSV musste er.

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STANDARD: Es könnte sein, dass die Zahl der Menschen, die sich auf den Winter so richtig freuen, deutlich geringer ist, als jene, die sich darauf freuen, wenn er wieder vorbei ist. Sie gehören wohl zur kleineren Gruppe, richtig?

Kraft: Ja, ich bin auch abgesehen von meinem Sport ein Wintermensch. Es ist schon cool, dass in Österreich alle Jahreszeiten so ausgeprägt sind, dass man sie genießen kann, aber ich finde es schön, wenn es finster wird, wenn man zur Ruhe kommen kann, wenn nicht immer Highlife ist.

STANDARD: Mit dem Springen in Klingenthal fängt zumindest der Weltcupwinter an. Wie groß ist die Freude darauf?

Kraft: Ehrlich, es hätte keine Woche länger dauern dürfen. Da gibt es eine große Schanze, da geht es schön weit zum Springen.

STANDARD: Sie waren, jedenfalls aus österreichischer Sicht, der Springer der Vorsaison – Tourneesieger, im Weltcup vorn dabei, zwei WM-Medaillen. Sie wurden als Österreichs Sportaufsteiger des Jahres geehrt. Aber gerade im Skispringen kann es ebenso schnell wieder bergab gehen, oft wegen Nichtigkeiten im Materialbereich. Kann man sich darauf vorbereiten?

Kraft: Ich habe mich langsam hingearbeitet und bin jetzt mein viertes Jahr im Weltcup. Ich bin schon erfahren. Ich habe keine Furcht vor dem Misserfolg, daran darf man auch keinen Gedanken verschwenden. Im Prinzip ging es stetig bergauf mit mir. Und so soll es weitergehen.

STANDARD: Damit sind die Saisonziele klar. Vierschanzentournee wieder gewinnen, endgültig ein Siegspringer werden, den Weltcup und eine Medaille bei der Skiflug-WM daheim am Kulm gewinnen. Kommt das in etwa hin?

Kraft: Nein, nein, ein fixer Podestspringer zu werden, wäre schon ganz super. Und es gibt ja nicht wenige andere, die auch hohe Ziele haben. Natürlich ist es ein Ziel, dass wir im Skifliegen eine Medaille machen, schon allein, weil es in Österreich stattfindet. Gute Sprünge zeigen, alles beisammenhaben, das ist das Ziel.

STANDARD: Sie sind in Bischofshofen Meister auf der Normalschanze geworden, Großschanzenmeister waren Sie schon einmal. Wie wichtig ist die nationale Meisterschaft für Sie und im Skispringen allgemein?

Kraft: Bei uns ist die Meisterschaft ja vor der Weltcupsaison. Nicht so wie bei den Alpinen nachher. Deshalb ist sie eine sehr gute Formüberprüfung. Und wenn man österreichweit vorn ist, ist das auch extrem beruhigend, weil die Konkurrenz stark ist. Außerdem hört sich Meister nicht schlecht an.

STANDARD: Sie waren ja schon im Sommer-Grand-Prix erfolgreich. War das ähnlich beruhigend?

Kraft: Ja, da habe ich gesehen, dass von der vergangenen Saison etwas hängengeblieben ist.

STANDARD: Es gilt als wichtig, in der Vorbereitung neue Reize zu setzen. Welche haben Sie gesetzt?

Kraft: Ich habe weniger auf der Schanze gearbeitet, mehr Kraft gemacht. Da waren noch ein paar Prozent drin.

STANDARD: Besteht da nicht die Gefahr, ein funktionierendes System aus dem Gleichgewicht zu bringen?

Kraft: Sicher muss man für einen Ausgleich sorgen, damit nicht die Geschmeidigkeit, die Schnelligkeit leidet.

STANDARD: Wie viel an Muskelmasse haben Sie zugenommen?

Kraft: So zwei, drei Kilo. Aber ich bin ohnehin der Typ, der bei Stress abnimmt. Und davon haben wir während der Saison genug.

STANDARD: Ab wann beginnen zum Beispiel die ständigen Reisen von Weltcup zu Weltcup zu nerven?

Kraft: Auch wenn ich kein Wochenende daheim bin, ist mir das wurscht. Mir macht das Skispringen einfach sehr viel Spaß.

STANDARD: Vor der Saison wurden alle Athleten neu vermessen. Keiner konnte sich strecken, sich größer machen, um längere Skier verwenden zu dürfen. Die Springer sind quasi geschrumpft. Sie auch?

Kraft: Ja, ich bin um drei Zentimeter kleiner geworden.

STANDARD: Also springen Sie jetzt auch mit kürzeren Latten.

Kraft: Ich habe schon vorher nicht die maximale Länge ausgenützt, jetzt springe ich 2,38 Meter lange Skier. Es hat sich ausgeglichen.

STANDARD: Die Materialkontrolle erfolgt in der neuen Saison vor dem Sprung. Danach darf nichts mehr an der Ausrüstung manipuliert werden, es gibt einen Aufpasser, der darauf schaut, dass zum Beispiel durch Zupfen am Anzug keine Veränderungen mehr vorgenommen werden. Ist das eine besondere Einschränkung?

Kraft: Man muss sich daran gewöhnen, die Abläufe haben sich eben geändert.

STANDARD: Inwiefern?

Kraft: Ich habe mir zur Aktivierung auf die Oberschenkel oder auf die Brust gehaut. Das geht nicht mehr. Auch nicht die Kontrolle der Keile hinten in den Schuhen.

STANDARD: War es nicht schwer, sich das abzugewöhnen?

Kraft: Schon, aber wir haben ein halbes Jahr Zeit gehabt. Es bleibt einen ja nichts übrig, sonst kann man abschnallen und hinuntergehen. (Sigi Lützow, 21.11.2015)