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Italiens Innenminister Angelino Alfano (rechts) kondoliert seinem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve. Italien und der Vatikan befinden sich laut FBI ebenfalls im Visier von Terroristen.

Foto: AFP / Emmanuel Dunant

Brüssel / New York / Wien – Wenn die EU-Innenminister ehrlich sind, dann müssen sie Hillary Clinton zustimmen. Die ehemalige US-Außenministerin hatte am Donnerstag Europas Polizeibehörden und Geheimdienste schwer gerügt: "Europa liegt weit zurück", sagte Clinton im Zusammenhang mit den Pariser Terroranschlägen. "Sie informieren sich nicht einmal gegenseitig, wenn sie einen Terrorverdächtigen an der Grenze zurückschicken oder wenn ein Pass gestohlen wird."

Auch bei anderen Anlässen habe man im Nachhinein feststellen müssen, dass der oder die Täter eigentlich bekannt gewesen seien. Handlungsbedarf habe man aber daraus nicht immer abgeleitet. "Die Zeit, dieses Problem zu lösen, ist jetzt – nicht nach dem nächsten Anschlag."

Verspätete Information

Der erste EU-Innenminister, der diese Versäumnisse auch ansprach, war der Franzose Bernard Cazeneuve – und zwar Donnerstagnachmittag bei der Pressekonferenz zum Tod des mutmaßlichen Drahtziehers der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud. Da musste er einräumen, dass Paris erst am dritten Tag nach den Attacken, also am vergangenen Montag, von einem "außereuropäischen" Geheimdienst informiert wurde, dass Abaaoud in Frankreich sei. Man hatte ihn längst in Syrien vermutet. Informant waren die marokkanischen Behörden, die im Oktober Yassine Abaaoud, einen Bruder von Abdelhamid, festgenommen und verhört hatten.

Vom eigenen Versagen in Sachen Informationsaustausch wollte das Gros der am Freitag zu einer Sondersitzung in Brüssel zusammengekommenen Innen- und Justizminister freilich nichts wissen. Statt Manöverkritik zu üben, einigte man sich bereits nach wenigen Stunden auf eine dauerhafte Verschärfung der Kontrollen an Europas Außengrenzen.

Die 28 Regierungen tragen demnach die Forderung mit, künftig auch EU-Bürger systematisch strengeren Kontrollen bei der Ein- und Ausreise an den Grenzen des Schengenraums zu unterziehen. Das bestätigte Cazeneuve vor Medienvertretern.

"Mindestkontrolle" zu wenig

Bisher gilt für alle Aus- und Einreisenden eine "Mindestkontrolle" zur Feststellung der Identität anhand eines vorgelegten Reisedokuments. Diese Regelung gilt auch für die Unionsbürger, ihre Daten durften bisher fallweise – aber nicht systematisch oder gar lückenlos – mit Polizeidatenbanken verglichen werden.

Die Minister einigten sich nun darauf, den bestehenden Spielraum so weit wie noch legal möglich auszunützen, bis ein novelliertes Schengenabkommen vorliegt, das von der EU-Kommission auszuarbeiten sein wird – eine Frage von etlichen Monaten.

Der EU-Ratsvorsitzende und luxemburgische Innenminister Etienne Schneider forderte zudem eine Verschärfung des geplanten Flugpassagierdatenregisters; auch innereuropäische Flüge müssten einbezogen werden.

Nicht nur positiv wurde der Vorstoß von EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos für einen gemeinsamen EU-Geheimdienst aufgenommen. Und Europol-Direktor Rob Wainwright kritisierte in einem Ö1-Interview, dass nur fünf der 28 EU-Staaten regelmäßig Informationen in die "Foreign Fighters"-Datenbank einspeisen würden. Die europäische Fahndungsarbeit könnte also durchaus ohne Verschärfung des Schengenabkommens viel effizienter sein als bisher. (Gianluca Wallisch, 20.11.2015)