Die gute Nachricht zuerst: Im Betrieb läuft alles prima. Bei einer Befragung zur beruflichen Situation unter 300 Lehrlingen gaben 70 Prozent an, sie würden wieder eine Lehre machen, und zwar im selben Beruf und Betrieb. Der Grund: Über 80 Prozent fühlen sich im Betrieb wohl, 90 Prozent finden ihre Ausbilder kompetent, freundlich und nett.

Anerkennungsmisstand

Gehen die Lehrlinge aber aus dem Arbeitsalltag heraus, fühlen sie sich weniger wert. Knapp 60 Prozent werfen den Politikern vor, nur die Anliegen der Maturanten und Studierenden zu vertreten, sich aber nicht um die Anliegen der Lehrlinge zu kümmern. Im Bericht des Instituts für Jugendkulturforschung spricht man von einem "Anerkennungsmissstand".

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Bernhard Heinzlmaier, der das Institut leitet, ist sich sicher: "Lehrlinge haben kein leichtes Los in der Gesellschaft." Mit den Ergebnissen der Befragung eröffnete er diese Woche das dritte Lehrlingsforum von Business Circle in Wien. Der "unerträgliche Kult um Universitäten und andere Formen der Elitenbildung" müsse endlich aufhören. Und: Die Lehrlinge müssten besser entlohnt werden. Denn auch das war ein Ergebnis der Befragung: Die Lehrlingsentschädigungen sind zu gering. Besonders Frauen würden sich benachteiligt fühlen.

Keine Ausbildungsjobs der Zukunft

Von zu geringer Bezahlung wollen die beim Lehrlingsforum vertretenen Lehrbetriebe naturgemäß nichts wissen. Angesprochen werden vor allem Informationsmaßnahmen, damit die Mehrheit "nicht immer die gleichen drei Berufe wählt", sagt Markus Tomaschitz, Human-Resources-Director beim Entwickler und Prüfer für Antriebsmaschinen und Motoren AVL List. "In den traditionellen Berufen sind wir gut aufgestellt und unsere Lehrlinge zählen zu den weltweit besten. Aber in den Zukunftsjobs der Industrie 4.0, dort gibt es uns gar nicht", mahnt er.

Vorbild Schweiz

Auch für Rudolf Mark, Geschäftsführer der Mark Metallwarenfabrik, geht einiges zu langsam. Das duale System in Österreich sei zwar gut – "aber eben nicht gut genug". In der Schweiz sei einiges besser. Dort gebe es vermehrt standardisierte Prüfungen, die den Ausbildungsstand der Lehrlinge dokumentieren und einen weiteren Bildungsschritt möglich machen. Mehr als 70 Prozent der 15-Jährigen blieben in der dualen Ausbildung, sagt Mark. Wohl auch, weil es keine berufsbildenden höheren Schulen wie HAK oder HTL gibt. Ganz einfach kopieren könne man das Modell also auch nicht.

Kein Glaube an Reformen

Mark spricht dabei aber einen weiteren wichtigen Punkt an, der im Laufe des Lehrlingsforums öfter für Diskussion sorgte: Die Trennung der Kinder erfolge, bedingt durch das österreichische Schulsystem, zu früh. Viele Unternehmensvertreter könnten der gemeinsamen Schule einiges abgewinnen. Auch eine verbesserte Durchlässigkeit – Stichwort Meister sollen ein Masterstudium beginnen dürfen – wünschen sich viele Teilnehmer. Rechnen will Tomaschitz mit diesen Reformen aber nicht: "Dieses System ist nicht mehr reformierbar. Es muss zusammenbrechen, dass sich etwas ändert."

Was die Lehrlinge wollen

Neben den politischen Rahmenbedingungen verwies Heinzlmaier auch darauf, dass sich die Unternehmen mehr mit der Lebensrealität der Lehrlinge auseinandersetzen müssten. Die Kommunikation sei häufig schlecht, was dazu führe, dass man dann eben nicht die Besten für sich gewinnen könne. Ein Beispiel: Da der Großteil der Lehrlinge der Meinung sei, dass Aussehen über den Erfolg entscheide, müsse man als Unternehmen seine Werte visualisieren. "Lehrlinge sind antiexzentrisch und antielitär, sie verteidigen eher die Norm", sagt Heinzlmaier.

Orientierung wichtig

Mit den Wünschen der Jungen setzt man sich in Niederösterreich auseinander: Durch den sogenannten Begabungskompass werden in Schulen die Stärken der 13-Jährigen untersucht. "Wer weiß denn schon mit 13, wer er ist?", sagt Sonja Zwazl, Präsidentin der niederösterreichischen Wirtschaftskammer. Vielen gebe man jahrelang das Gefühl "Du bist ein schlechter Schüler, also kannst du nichts". Für Zwazl natürlich ein "Blödsinn". Wen wundere da der "Anerkennungsmissstand." (Lara Hagen, 27.11.2015)