Jetzt wird allenthalben also wieder panisch gegen den Terrorismus aufgerüstet. Das ist nichts Neues. Noch nach jedem größeren Terroranschlag wurden großspurig die Maßnahmen verkündet, die einen nächsten verhindern sollten. Was die Wirkung bisheriger Kriegserklärungen gegen den Terror betrifft, kann man sie an den heurigen Ereignissen in Paris ablesen. Die einzige Erkenntnis, die bleibt, besteht darin, dass der liberale, laizistische Rechtsstaat in Europa in eine Bedrängnis geraten ist, aus der er nicht herausfinden wird, solange die Antwort der Regierenden vor allem in martialisch vorgetragener Ratlosigkeit bis zum jeweils nächsten Anschlag besteht.

Bedrängt wird er nicht nur vom Terror des "Islamischen Staates", auch wenn dieser nun die größte Aufmerksamkeit beansprucht. Bedrängt wird er nicht weniger von einer zunehmenden Rechtsradikalisierung in Europa, unter deren Flagge ominöse christlich-abendländische Grundwerte verteidigt werden, indem zivilisatorische und demokratische Grundwerte zurückgefahren, wenn nicht gar beseitigt werden sollen. Auch dabei geht es nicht ohne Gewalt oder zumindest Gewaltbereitschaft ab. Nur zur Erinnerung: Es war kein islamistischer Fanatiker, sondern ein biederer einheimisch-völkischer Faschist, der 2011 auf einer Insel bei Oslo 77 unschuldige junge Landsleute erschossen hat. In einschlägigen Kreisen hat man sich sehr bemüht, ihn zu verstehen. In Deutschland werden Dörfer von Neonazibanden terrorisiert. Es sind hygienisch einwandfreie deutsche Demonstranten, die ihre Selbsteinschätzung "Wir sind das Volk" durch mitgeführte Galgen untermauern, gedacht für demokratisch gewählte Politiker. In Österreich nehmen die Übergriffe auf und Brandstiftungen in Flüchtlingsunterkünften zu. Man will doch auch dabei sein, etwa indem man so nebenbei einmal das Wort vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge fallenlässt – nur um zu sehen, ob die gutmenschliche Hysterie, die in Asylsuchenden menschliche Wesen sieht, noch funktioniert oder doch schon freiheitlich reagiert.

Als Vorbilder werden uns ausländische Politiker angeboten, die die Presse- und Meinungsfreiheit beschneiden, Künstler unter Druck setzen, im Zeitalter der Globalisierung und als Mitglieder der EU ihr Heil in einem – wenn es der Sache dient – auch rassistisch aufgeladenen Steinzeitnationalismus suchen. Nationales Christentum als Rezept gegen übertriebene Humanität.

Und ohne dass es direkt beabsichtigt wäre, geht Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat auch von seinen gewählten Vertretern aus, wenn die ihre Versäumnisse mit staatsschützerischem Opportunismus zu kaschieren versuchen. Die Leichtfertigkeit, mit der etwa der ÖVP-Klubobmann die Einschränkung staatsbürgerlicher Grundrechte fordert – leider zwar, aber was soll's, wenn uns zwecks Vortäuschung sinnvoller Maßnahmen gegen den Terror gerade nichts anderes einfällt -, ist erschreckend. Die Einschränkung demokratischer Grundrechte wird ebenso wenig helfen wie ein Zaun um Österreich, da sind sich die Experten einig. Immerhin erfüllt sie ein Grundanliegen der Terroristen. (Günter Traxler, 19.11.2015)