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ORF-Zentrum.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Am Donnerstag tagt der ORF-Stiftungsrat zum vorletzten Mal im Jahr 2015. Vordergründig läuft alles nach Plan ab: Das Gremium segnet das Programmschema ab, lässt sich über Finanzen und Standortfrage berichten. Im Hintergrund beginnen im Vorwahljahr bereits die Planspiele, bringen sich Stiftungsräte in Stellung. Am 9. August 2016 wird ein neues Oberhaupt von Österreichs öffentlich-rechtlichem Rundfunk gewählt. Alexander Wrabetz würde wohl wollen, nicht nur, weil er mit dritter, durchgehender Amtszeit als längst dienender Generaldirektor in die Geschichte eingehen könnte, sondern auch, um den ambitionierten Übersiedlungsplan voranzutreiben und die neue ORF-Struktur einzuziehen.

Bei der Frage des Gegenkandidaten fällt immer wieder der Name des kaufmännischen Direktors Richard Grasl. Die einmal gehandelte Variante einer Doppelspitze ist offenbar vom Tisch: Der Proporzcharakter war manchen dann doch zu offensichtlich und bräuchte überdies eine Gesetzesänderung. Ob Grasl kandidiert, hängt von den zu erwartenden Mehrheitsverhältnissen im Stiftungsrat ab. Die VP-nahen Gremiumsmitglieder könnten sich letztlich für Wrabetz erwärmen – wenn für das eigene Lager im ORF die eine oder andere Zusatzkompetenz abfällt.

Wer noch? Ex-Generalintendant Gerhard Zeiler kaum, er strebt womöglich höhere politische Ämter an und wäre um die Kanzlerfrage nicht verlegen. Derzeit sitzt Werner Faymann offenbar wieder fester im Sattel als zuletzt. Das kann sich bis zum Parteitag im Herbst 2016 schnell ändern, zumal gewichtige Kräfte innerhalb der SPÖ die Erneuerung der Partei fordern. Von Zeiler würden sich viele eine solche versprechen, aber ebenso vom ÖBB-Manager Christian Kern und dem jetzigen SP-Klubobmann Andreas Schieder.

Dass sich Faymann mit einem Generaldirektor Zeiler seinen Widersacher wegloben könnte, gilt inzwischen als eher unwahrscheinlich. Für Zeiler, den es an die Staatsspitze zieht, wären das eher zwei Schritte zurück als einer vor. Nicht auszuschließen ist freilich, dass Faymann und Medienminister Josef Ostermayer einen Überraschungskandidaten aus dem Hut ziehen.

Wrabetz verfügt derzeit über eine hauchdünne Mehrheit im Stiftungsrat. Kippen könnte diese durch parteilose oder andersgefärbte Räte. Franz Küberl gehört etwa dazu. Was müsste in der Bewerbung eines Kandidaten stehen, damit er ihn wählt? Der Caritas-Chef erwartet sich klare Strategien bei Radios, Landesstudios, Migranten, Jugend, Religion. Weiters wünscht er sich medienübergreifende Recherchen nach Vorbild von WDR und SZ.

Für Neos-Rat Peter Haselsteiner ist wesentlich, ob der ORF-Kandidat "glaubwürdig machen kann, dass er das, was in den Bewerbungsunterlagen steht und – noch wichtiger – im Konzept für die Zukunft des ORF präsentiert wird, umzusetzen in der Lage ist." In Stiftungsratkreisen ließ Haselsteiner durchblicken, dass ein zentraler Infodirektor in der neuen Struktur für ihn ein Ausschlussgrund für die Generalswahl ist. (Doris Priesching, 18.11.2015)