Beim Wienerfeld-Frauenteam spielen Anfängerinnen und Quasi-Profis zwischen 14 und 36, Schülerinnen, Arbeitende, Mütter, Studierende.

Foto: Waldmann

Donnerstagabends beim SV Wienerfeld in Favoriten ist jetzt etwas anders. Die Frauen absolvieren das Training auf dem halben Großfeld anstatt wie bisher auf dem Bolzplatz daneben. Drei Wienerfeld-Mannschaften müssen sich auf der Fritz-Hölbl-Anlage zwei Plätze teilen. "So trainieren wir wenigstens unter Spielbedingungen", sagt Trainer Erich Wagner. Annähernd zumindest.

Hinten rechts im Flutlichtnebel stehen neun warm angezogene, hibbelige Mädchen eng wie in einem Schwarm zusammen, vielleicht gegen die Kälte, und ein älterer Herr, der den Fuß nachzieht, gibt Anweisungen mit den Händen. Sie üben Dreierkombinationen mit Torabschluss, Dreierschrittfolgen mit Umdrehen und Angriffe, die mit dem Lupfen des Balls über ein Hindernis beginnen, 30 bis 50 Zentimeter hoch. "Wos woa des?" Bis zum Spielfeldrand hört man die gelegentlich wegen ihrer Lautstärke gefürchtete Stimme des Trainers.

Der "heilige" Rasen

Anwesend sind vor allem die Jüngeren. Manche sind krank, einige haben Spätschicht, arbeiten bei der Telekom oder im Supermarkt. Für sie ist die Trainingszeit um 18.45 Uhr nicht zu schaffen, wenn sie noch die Theke putzen müssten, berichtet Wagner. Das spätere Training am Dienstag ist günstiger. Dann macht er auch die Spielanalysen. Noch das Abschlusspiel, vier gegen vier mit einer neutralen Torhüterin. Punkt acht ist das Training zu Ende. Die nächste Truppe steht schon am Rand.

Aussuchen können sich die Wienerfeld-Frauen die Trainingszeiten nicht. Sie sind nur eines von zehn Teams von der U10 aufwärts und das einzige Frauenteam des Vereins. Platzmangel ist ein Dauerproblem, wenn die Trainingspläne gemacht werden müssen. Der SV Wienerfeld ist lediglich Untermieter der Sportanlage, Hausherr der Verein Ankerbrot. Der Rasenplatz auf dem Gelände sei "heilig", sagt man bei Wienerfeld spöttisch, Ankerbrot lässt sie da nicht rauf. Also Kunstrasen.

Seit dieser Saison spielen die Frauen in der Wiener Landesliga. Die "Kampfmannschaft", wie es im Vereinsjargon heißt. Das B-Team spielt parallel in der 1. Klasse A. Das heißt, jeden Samstag und Sonntag Spiele. Ein paar Spielerinnen treten an beiden Tagen an, je nach Kranken- und Verletzungsstand. "Das ist deswegen so, weil ich zu wenige Mädels für zwei und doch zu viele für eine Mannschaft habe. So kommen eben alle zum Spielen", sagt Karin Leszkovits, 33, Kapitänin.

Die großgewachsene Torjägerin mit dem Undercut ist eine Schlüsselfigur, will man das Team kennenlernen. Sie hat das Sagen. Fragen zur Mannschaft? Beantwortet Karin, erfährt man. Es sei denn, sie hat die Aufgabe delegiert. Leszkovits wurde einst ins Nationalteam einberufen, entschied sich aber gegen eine solche Fußballkarriere. Lieber managt sie ihr eigenes Team, organisiert Spiele und Turniere, besorgt Trikots. Auch im Vorstand sitzt sie. Es gibt Mitspielerinnen, die können sie sich als Trainerin vorstellen, aber Leszkovits selbst kann das nicht. Als Trainer ist man irgendwann "satt gegessen", glaubt sie. Also bastelt sie in der Rolle der sportlichen Leiterin mit Trainer und Co-Trainer am Team.

Klassenfragen

In anderen Wiener-Liga-Teams – sagen wir ruhig, dass es akademisch geprägte Vereine sind – sagt man den Wienerfeld-Spielerinnen Ruppigkeit auf dem Platz nach: unnötige Fouls, verbale Attacken. Manchen ist Wienerfeld der Inbegriff eines Teams, bei dem sie niemals spielen würden. Leszkovits sagt dazu kurz: Nein, das komme auf die Gegnerinnen an. Daniela Nödel, 25, Mittelfeld, spielte lange bei der Konkurrenz und hat den Vergleich. Die Leute bei Wienerfeld findet sie "geschmeidiger".

Was die Wienerfeld-Frauen auf jeden Fall ausmacht, ist eine Diversität, die sich viele Frauenteams nördlich von Favoriten nur wünschen können. Es sind Anfängerinnen und Quasi-Profis zwischen 14 und 36, Schülerinnen, Arbeitende, Mütter, Studierende. Rund ein Fünftel hat Migrationsgeschichte mit kurdischen, deutschen, slowenischen, kroatischen und serbischen Wurzeln. "Wir sind so unterschiedlich, dass jede was von der anderen lernen kann", sagt Leszkovits.

Aydin Asuman, mit 36 die Teamälteste, ist eine der treuesten Spielerinnen. Asuman hat einmal von einer professionellen Fußballkarriere geträumt. Aber als Jugendliche durfte sie der Einladung in die nationale Auswahl nicht folgen, die Eltern fanden einen Beruf für sie wichtiger. Trainer Wagner kennt sie, seit sie klein war, wenn möglich hat sie dort gespielt, wo er war. Zwischenzeitlich hatte sie schon aufgehört mit dem Fußball. Seinetwegen kam sie nochmals zurück. Asuman hat gerade einen Sponsor für einen Trikotsatz für die Frauen aufgetan. Ein türkisches Restaurant, familiäre Verbindungen haben geholfen.

Zwei Bewerbe als Nachwuchsstrategie

Das Wienerfeld-Frauentem ging aus dem Klub Juwelen Janecka hervor, einem reinen Frauenverein unter dem gleichen Obmann wie Wienerfeld, der sich vor drei Jahren die steigenden Platzmieten nicht mehr leisten konnte. Der Mannschaftskern um Leszkovits fand Unterschlupf beim SV Wienerfeld. Hier profitieren sie von vorhandener Infrastruktur und vom Umfeld. Patricia Brenner kam auch von Janecka mit. "Wir hatten damals ein Nachwuchsteam, das war cool. Aber hier haben wir mehr Unterstützung, die Männer kommen und feuern uns an", sagt sie. Und dann erst die gemeinsamen Feste im Böhmischen Prater. Besonders das Oktoberfest muss ein Hit sein, gemessen am Augenzwinkern, mit dem es viele Spielerinnen bedeuten.

Für Violeta Vasic, mit 14 eine der Jüngsten, ist das Samstagsspiel der 1. Klasse A gegen Alxingergasse die Chance, Ligaluft mit den Großen zu schnuppern. Erst vor wenigen Wochen stieß sie ins Team, nun läuft sie im lila Trikot des B-Teams als Rechtsaußen auf. Eine ganze Halbzeit durfte Violeta diesmal spielen. Sie fand es okay. Na ja, die Älteren hätten nicht so oft abgespielt, gibt sie zu. "Dann versuche ich mir den Ball eben zu holen", sagt sie. Vor Wienerfeld hat sie nur drei Monate bei einem anderen Verein gespielt. Aber hier sei "mehr Action". Und sie wolle auch ein bisschen abnehmen, sagt sie.

Violeta kam durch Lisa, die Trainertochter, ins Team. Früher waren die beiden Freundinnen an einer Schule, jetzt ist Lisa an einer Sportschule, und Violeta weiß schon, dass sie in zwei Jahren Elektronikerin lernen will. Die beiden kicken während der zweiten Halbzeit am Spielfeldrand. Lisa ist 13, darf also noch nicht Liga spielen, trainiert aber mit. Hier findet sie Fußball besser als an ihrer Schule. Da spielt sie als eines von zwei Mädchen im Jungsteam mit und muss sich dauernd anhören, dass das kein Sport für sie sei. Eine Stadiondurchsage: 3:0 für Wienerfeld. Lisa jubelt. Ihre Schwester hat das Tor geschossen, ihr zweites in diesem Match. Das ist der Endstand.

Ein zweifelhafter Ruf

Von Grobheit ist beim Match gegen Alxingergasse nichts zu spüren. Auch das Spiel am Sonntag gegen Mönchhof, das die Kampfmannschaft unnötig mit 0:2 verliert, ist eines ohne gelbe und rote Karten. Anders sieht die Kartenbilanz bei den beiden nächsten Landesliga-Partien aus. Zwei Spielerinnen müssen mit gelb-roten Karten vom Platz, eine wegen Kritik. Das Spiel darauf: drei gelbe Karten wegen Unsportlichkeiten.

Tja, was sollen sie dazu sagen? Sind Wienerfelderinnen Rüpel? Der Ruf habe etwas gelitten wegen häufiger roter Karten, gibt jemand zu. Ein, zwei Spielerinnen gebe es schon, die nicht den Mund halten können oder sich auf dem Platz schnell provozieren lassen, sagen einige. Solches Verhalten beruhe auf Gegenseitigkeit. "Die anderen machen es vielleicht geschickter, dass es niemand hört." "Lasst euch nicht foulen, lasst euch nicht anspucken!", sagt der Trainer seinen Schützlingen. Gegen unfaire Schiedsrichter-Entscheidungen müsse man sich wehren. Das ist Konsens im Team.

Das Spiel gegen Siemens Großfeld hat die Wienerfelder Kampfmannschaft auch mit neun Spielerinnen auf dem Platz mit 4:3 gewonnen. Obwohl sie vorher das Oktoberfest feierten. Oder vielleicht gerade deswegen. (Nancy Waldmann, 18.11.2015)