Wien – Wenig begeistert ist die Opposition von den am Dienstag präsentierten Eckpunkten der Bildungsreform. Diese sei "deutlich verbesserungsbedürftig", kritisierten die Grünen. Die Neos sahen einen "lauwarmen", das Team Stronach einen "typisch österreichischen" Kompromiss. Die FPÖ ortete ein "Sammelsurium an Überschriften und Scheinaktivitäten". "Offenbar sind SPÖ und ÖVP in Hektik ausgebrochen und haben, nur um den Abgabetermin einzuhalten, ein Papier aus Absichtserklärungen und Alibimaßnahmen zusammengestellt", kritisierte FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz in einer Aussendung.

Nur Türschilder werden ausgetauscht

So habe sich in der Verwaltung nichts geändert: "Sie ist nach wie vor eine unglückselige Gemengelage an ineinander verschränkten Bund-Länder-Kompetenzen, nur die Türschilder werden ausgetauscht – der Landesschulratspräsident darf sich in Zukunft Bildungsdirektor nennen."

Grüne wollen mit Regierung verhandeln

"Völlig unverständlich" ist für Grünen-Chefin Eva Glawischnig "die Knebelung der Bundesländer Wien und Vorarlberg" bei der Einführung einer Modellregion zur gemeinsamen Schule aufgrund der Teilnahme-Obergrenze von 15 Prozent der Schulen beziehungsweise Schüler eines Schultyps. "Für einen grünen Bildungssprecher, der aus Vorarlberg kommt, ist das mit Sicherheit ein No-Go", so Bildungssprecher Harald Walser. Positive Ansätze sehen die Grünen, die bei manchen Punkten der Regierung zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verhelfen könnten, bei der Schulautonomie. Sie wollen nun mit der Regierungsspitze verhandeln.

Im Würgegriff der Landeskaiser

Die Neos sehen in der Einigung der Regierung beziehungsweise mit den Ländern einen "lauwarmen Kompromiss". Die Bundesregierung habe es "wieder nicht geschafft, sich aus dem Würgegriff der Landeskaiser zu befreien", urteilte Neos-Chef Matthias Strolz in einer Aussendung. "Damit verkam dieser Reformversuch einmal mehr zu einer machtpolitischen Tauschbörse." Zumindest gebe es aber mehr pädagogische Autonomie.

Argwohn gegen Bildungsdirektionen

Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar meinte, dass "Bildungsministerin Heinisch-Hosek gegen die Länder wenig überraschend den Kürzeren gezogen hat". Die Länderchefs würden durch die Bildungsdirektionen "endgültig die totale politische Kontrolle über die Bildung erhalten. Der Bund darf dann die Zeche für den Etikettenschwindel zahlen."

Landeshauptleute zufrieden

Der Salzburger Landeshauptmann und ÖVP-Mitverhandler Wilfried Haslauer bezeichnete die Einigung hingegen als "wichtigen und beachtlichen Schritt in die Zukunft für unsere Schulen und allen voran für die Kinder". Sie werde notwendige Verbesserungen in vielen Bereichen bringen. Die Schulen würden mehr pädagogische, organisatorische, personelle und finanzielle Freiräume erhalten, wodurch die Entscheidungen künftig verstärkt von den Lehrern an Ort und Stelle getroffen werden könnten. Ihm sei vor allem der Übergang vom Kindergarten zur Volksschule wichtig. "Deshalb haben wir hier viele wichtige Maßnahmen, die notwendige Verbesserungen bringen, getroffen. Durch eine verstärkte Kooperation von Kindergarten und Volksschule wird die individuelle Förderung für die Kinder gestärkt."

Zusammengeführt, was zusammengehört

In der Frage der Schulverwaltung habe man nun "nicht nur eine jahrzehntelange Diskussion beendet, sondern zusammengeführt, was zusammengehört". Durch einheitliche Vorgaben des Bundes und regionale Steuerung im Land sei in Kombination mit Verwaltungsvereinfachungen sowie einer weitreichenden Entpolitisierung und maximaler Transparenz ein großer Schritt gelungen. "Auch beim Thema der gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen haben wir eine Einigung erzielt. Diese ermöglicht es den Bundesländern, Modellregionen für Versuche zu bilden."

Lange Nacht, herzeigbare Resultate

Zufrieden mit dem Ergebnis der Marathonverhandlungen ist auch der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Es sei eine sehr lange Nacht gewesen, aber man habe wichtige Schritte gesetzt und herzeigbare Resultate erzielt. Mehr Autonomie für Direktoren und Schulen hob er ebenso hervor wie die Tatsache, dass die Modellregionen nun doch nicht auf einen Bezirk pro Bundesland reduziert worden sind.

Modellregionen mit überzeugten Partnern

Schulen müssten künftig auch formal nicht zustimmen, damit eine Modellregion eingerichtet werden kann. "Allerdings wird man das ja nur machen, wenn man Partner hat, das ist also eher akademisch", meinte Kaiser. Dass die Bildungsdirektionen jetzt je nach Lesart sowohl zu Bund und Land beziehungsweise weder noch ressortieren, ist für den Kärntner Regierungschef akzeptabel. Das werde eine "Behörde sui generis" sein, was er für eine gute Lösung halte.

Großer Wurf für Tirol

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), seit Juni auch Mitglied der Reformgruppe, bezeichnete die Bildungsreform am Dienstag als "großen Wurf". Das System werde flexibler und nehme mehr auf die Bedürfnisse der einzelnen Schulen Rücksicht. Es biete die Möglichkeit, Neues auszuprobieren, und verhindere, "dass immer alles über einen Kamm geschoren wird".

Rücksicht auf die Täler

In Tirol habe man mit der Modellregion Zillertal als österreichweit einziges Bundesland die Weichen für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen gestellt, betonte Platter. Tirol werde diesen Weg fortsetzen und in einer eigenen Modellregion die gemeinsame Schule umsetzen. Die Schaffung von Bildungsdirektionen als gemeinsamen Bund-Länder-Behörden in jedem Bundesland sei eine sinnvolle Lösung. Sie seien auch ein Beweis dafür, dass die Länder effizient und kostengünstig verwalten. Außerdem folgten sie der Einsicht, dass "die Herausforderungen für eine Schule in einer Großstadt wie Wien nicht dieselben sind wie in einem Tiroler Tal".

Wunsch nach mehr Mut

Aus anderen Bundesländern kam großteils Zustimmung. Die Vorarlberger Bildungslandesrätin Bernadette Mennel (ÖVP) hätte sich mehr Mut von den Verhandlern der Bildungsreform gerade im Bezug auf die Frage der Modellregionen gewünscht. Die restlichen Reformbereiche nannte Mennel einen "akzeptablen Kompromiss".

"Mir ist es recht, dass es diese Ergebnisse gibt. Aber da gibt es natürlich noch viele Möglichkeiten nach oben", kommentierte Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) den Ausgang der Gespräche. Im Verwaltungsbereich gebe es kaum Veränderungen. Positiv findet er etwa die Schulautonomie und die Objektivierung der Leiterbestellungen.

Ähnlich der in Oberösterreich für Bildung zuständige Landeshauptmannstellvertreter Thomas Stelzer (ÖVP). Er sieht in der Bildungsreform "viele sinnvolle Maßnahmen, aber auch noch einige Fragezeichen". Die steirische SPÖ-Bildungslandesrätin Ursula Lackner sprach von einem "großen Erfolg", ortete aber noch offene Fragen, etwa im Bereich der Finanzierung des zweiten Kindergartenjahres. Wissenschaftslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) sprach in Vertretung von ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer von einem "vernünftigen Kompromiss".

AHS-Lehrergewerkschaft: "Schuldiktatur"

Der Vorsitzende der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Paul Kimberger (FCG), hält die Einigung für "durchaus ambitioniert". Allerdings müsse man dazusagen, dass meist "nicht über Gesetze, sondern über Ressourcen gesteuert wird". Die AHS-Lehrergewerkschaft fürchtet dagegen aufgrund der möglichen Gesamtschul-Modellregionen eine "Schuldiktatur à la Nordkorea".

Kimberger sieht "einige Schwerpunkte richtig gesetzt" und nennt dabei den Fokus auf Kleinkind- und Elementarpädagogik wie etwa das zweite Kindergartenjahr, die Neugestaltung der Schuleingangsphase inklusive Datenaustausch zwischen Kindergarten und Schule und die Entbürokratisierung bei Schulversuchen. Auch die Lösung bei den Modellregionen zur gemeinsamen Schule begrüßt Kimberger: "Da kann viel getestet werden über einen ausreichenden Zeitraum." Außerdem sei die wissenschaftliche Evaluierung vorgegeben. (APA, 17.11.2015)