Wien – Die zum Budgethearing ins Parlament geladenen Experten haben am Montag das Budget 2016 im Wesentlichen als ein "stabiles" beurteilt. Risiken sahen die von den Fraktionen ins Parlament Geladenen u.a. in der noch nicht gesicherten Gegenfinanzierung der Steuerreform, drohender Kosten für die Banken oder auch für die Bewältigung der Flüchtlingsbewegungen. Gefordert wurden außerdem weitere Reformen.

Der von der ÖVP nominierte Gottfried Haber von der Donau Universität Krems sprach von einem "stabilen Budget", wenngleich er auch einige Risiken und wenig weiteren budgetären Spielraum ausmachte. Einen solchen sahen hingegen die von SPÖ und Grünen geladenen Experten, Markus Marterbauer (Arbeiterkammer) und der Volkswirt Stefan Ederer (Wirtschaftsforschungsinstitut): Die bei der Budgeterstellung angenommenen Daten für das Wirtschaftswachstum hält Marterbauer für eher an der "Untergrenze" angesiedelt, denn es gebe etwa erkennbare Erholung in der Industrie und beim Export. Haber äußerte sich zurückhaltender und warnte u.a. vor möglicherweise steigenden Zinsen, was die Aufwendungen des Staates zur Refinanzierung steigen lassen würde.

Aber auch Marterbauer verwies auf "erhebliche Abwärtsrisiken" für das Budget 2016: So bestehe nach wie vor das Bankenproblem; seit 2009 habe die durchschnittliche Budgetbelastung in diesem Sektor 1,9 Mrd. Euro pro Jahr betragen, sagte Marterbauer.

Deutlich negativer beurteilte die von den Freiheitlichen nominierte Barbara Kolm vom wirtschaftsliberales Hayek-Institut das Budget: Die Wirtschaftsdaten Österreichs würden im internationalen Vergleich "nicht sehr gut" aussehen, sagte sie. Das Budget sei "sehr kritisch" zu sehen, auch wenn es "einige gute Elemente" gebe. "Wir haben ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem", merkte sie an.

Steuerreform soll Impulse bringen

Konjunktur-Impulse erwarten die Experten von der Steuerreform – auch wenn diese zum Teil durch die Gegenfinanzierung aufgehoben würden, wie Haber anmerkte. Insgesamt rechnet er aber mit einem positiven Effekt. Marterbauer meinte, die Reform werde die verfügbaren Einkommen spürbar erhöhen. Der von den NEOS entsendete Linzer Wirtschaftswissenschafter Friedrich Schneider sprach ebenfalls von einer "wichtigen Entlastung" durch die 2016 greifende Lohnsteuersenkung.

Und auch Ederer rechnet mit einer Ankurbelung des Konsums – er sah aber auch eine "vertanene Chance": Niedrigere Einkommen hätten stärker entlasten werden sollen als mittlere und höhere, meinte er, denn das hätte den Konsum noch stärker angekurbelt (absolut werden mittlere und höhere Einkommen durch die Reform stärker entlastet als kleine Einkommen, Anm.). Kolm sagte, die starke Belastung des Faktors Arbeit sei zwar mit der Steuerreform angangen worden, ausreichend sei die Maßnahme aber nicht.

Unsicherheiten sehen die Experten bei der Gegenfinanzierung der Reform: Marterbauer erklärte, es müssten vor allem die Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung "voll umgesetzt" werden. Die geplante Einführung von Registrierkassen begrüßte er und verwies darauf, dass man damit gleiche Bedingungen für alle schaffe. Kolm meinte, sie wage es zu bezweifeln, dass die Maßnahmen die von der Regierung erwarteten Einnahmen hereinspiele. Auch Schneider zweifelte an den Erwartungen: Die 900 Mio. Euro bei der Betrugsbekämpfung empfinde er als "sehr hoch" und hält eher 300 bis 400 Mio. für realistisch.

Haber verwies auch auf Unsicherheiten, die sich aus den zu erwartenden Kosten für die Flüchtlinge ergeben könnten. Gleichzeitig betonte der Professor, dass die Migranten auch eine Chance für den Arbeitsmarktstandort darstellen könnten.

Arbeitslosigkeit als Hauptproblem

Als Hauptproblem für die Wirtschaftsentwicklung bezeichnete Marterbauer die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Wie auch Ederer sprach sich der AK-Experte klar für eine Arbeitszeitverkürzung aus. Haber gab zu bedenken, sollte es eine solche bei vollem Lohnausgleich geben, dann würden die Kosten für den Faktor Arbeit steigen.

Unterschiedlicher Meinung waren die Experten hinsichtlich der Abgabenquote: Während Kolm die hohe Steuerlast beklagte, sagte Marterbauer, er halte diese – im internationalen Vergleich hohe Quote – "für sehr sinnvoll". Denn wenn man sich für einen gut funktionierenden Sozialstaat und eine gute Infrastruktur entscheide, "dann braucht es notwendigerweise eine hohe Abgabenquote".

Eingefordert wurden seitens der Experten weitere Reformen, etwa im Bildungsbereich. Haber bezeichnete die Qualifikation der Menschen als "wichtigsten Standortfaktor" und plädierte daher, in den kommenden Jahren für weitere Ausweitungen der Bildungs- und Universitätsbudgets. Reformen im Bildungswesen mahnte auch der vom Team Stronach entsendete Musikpädagoge Ernst Smole ein: Er betote die Wichtigkeit des Themas bei der Integration, denn ein guter Teil der Zuwanderer besitze nur einen Pflichtschulabschluss.

Marterbauer sah hingegen keinen allzu großen Reformdruck. Vielmehr müssten nun die bereits beschlossenen Maßnahmen – etwa im Pensionssystem oder im Gesundheitsbereich – auch wirklich umgesetzt werden, betonte er. Kolm bemängelte, dass etwa das "große Kernthema" der Senkung der Lohnnebenkosten "viel zu wenig vorangetrieben" werde. Auch gegen die Kalte Progression vermisst sie wirksame Maßnahmen. (APA, 16.11.2015)