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Das englische Team hält im Training eine Schweigeminute ab.

Foto: APA/AP/Walton

Paris – Es soll ein Symbol für die Verbundenheit mit Frankreich werden: Aus 90.000 Kehlen soll vor dem Länderspiel England – Frankreich in London die berühmte Marseillaise erklingen. Ob englische Fans oder neutrale Zuschauer, ob französische oder englische Spieler, im Wembley-Stadion soll die Fußballwelt vier Tage nach den Attentaten von Paris und Saint-Denis Französisch sprechen.

"Wembley öffnet seine Arme für ein Land in Trauer", titelte die "Times" am Montag. Dass das Gastspiel der Équipe tricolore nach dem Schock von Paris am Dienstag überhaupt stattfindet, bezeichnet Innenministerin Theresa May als Zeichen, dass "die Terroristen nicht gewinnen werden".

Die UEFA bestätigte, dass eine Absage der EM in Frankreich aufgrund der Terroranschläge in Paris nicht zur Debatte steht. "Die Auslosung der Endrunde wird wie geplant am 12. Dezember im Palais de Congres in Paris stattfinden, das Turnier wird in Frankreich vom 10. Juni bis 10. Juli gespielt", teilte der Verband am Montag mit.

"Historischer Moment voller Emotionen"

"Das Spiel wird eine ernsthafte Angelegenheit, aber eine, die zeigt, dass die Fußballwelt vereint ist gegen solche Grausamkeiten", betonte Englands Coach Roy Hodgson. Der Text der französischen Nationalhymne soll auf den Leinwänden im Stadion für alle zum Mitsingen eingeblendet werden. "Das wird ein historischer Moment voller Emotionen", schrieb "L'Équipe" am Montag.

Wie der "Telegraph" berichtete, planen die Spieler der englischen Mannschaft zudem eine gemeinsame Aktion für ihre Kollegen aus Frankreich. Nicht wenige aus dem Team des EM-Gastgebers im kommenden Jahr verdienen in der Premier League ihr Geld.

Reaktionen aus der französischen Mannschaft auf die Entscheidung, die Partie wie geplant auszutragen, gab es auch bis Montagmittag nicht. Seit dem 2:0-Sieg gegen Deutschland, der angesichts von mindestens 129 Toten und mehr als 350 Verletzten keinerlei Bedeutung mehr hat, äußerte sich keiner der Akteure öffentlich. "Ich verstehe die Emotionen der Spieler", sagte Frankreichs Verbandschef Noël Le Graët in einem Interview der "L'Équipe" vom Montag. Die Idee sei aber von allen akzeptiert worden.

Lassana Diarra teilt über Facebook den Tod seiner Cousine mit.

Was auch dadurch belegt scheint, dass selbst der persönlich unmittelbar betroffene Lassana Diarra zum selben 23-köpfigen Kader gehört, der auch schon gegen Weltmeister Deutschland von Trainer Deschamps nominiert worden war. Diarra betrauert den Tod einer Cousine bei den Anschlägen.

Le Graët meinte, dass die Spieler Wettkämpfer seien, sobald sie auf dem Spielfeld sind. Ob das in diesem Falle so einfach ist, darf bezweifelt werden. Unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen wird das letzte Länderspiel der Franzosen und Engländer in diesem Jahr stattfinden. Die Fans sind bereits angehalten, früher als sonst zu kommen, weil die Kontrollen mehr Zeit in Anspruch nehmen könnten.

Wozu die Spieler dann fähig sind, wird sich zeigen. Die Tage vor der Partie hatten mit Vorbereitung geschweige denn Einstimmung auf einen weiteren Klassiker im europäischen Fußball nichts zu tun. Das Stade de France verließ die Mannschaft schockiert gegen drei Uhr am Samstagmorgen. Alle öffentlichen Termine desselben Tages wurden abgesagt.

Frankreich in Bestform

Dabei sollten genau diese beiden Spiele eigentlich Standortbestimmungen für die Franzosen sein. Ungeschlagen ist die Mannschaft von Deschamps in der EM-Saison, und nicht nur das: Fünf Siege aus fünf Spielen lautet die Bilanz. Das Fehlen von Mittelstürmer Karim Benzema wegen dessen Verwicklung in eine Erpressungsaffäre und von Mathieu Valbuena, der wegen eines Sexvideos erpresst wurde, kompensierte Deschamps Team gegen Deutschland.

Allen voran hatte sich Anthony Martial von Manchester United Bestnoten verdient und mit Mittelstürmer Olivier Giroud vom FC Arsenal erfolgreich harmoniert. Auch gegen England dürfte Deschamps seinen Verjüngungskurs fortsetzen.

Binnen zwei Jahren hat der ehemalige Weltmeister das Durchschnittsalter von 27 Jahren und drei Monaten unter Laurent Blanc bei der EM 2012 auf 26 Jahre und zehn Monate bei der WM 2014 gesenkt. Mit dem 19-Jährigen Martial und Kingsley Coman vom FC Bayern verleiht er seiner Mannschaft weitere Frische.

Nur dass auch das wie praktisch alles andere Sportliche gegen England zweitrangig sein dürfte. Auf dem Weg zurück in so etwas wie Normalität können sich aber auch Frankreichs Fußballer der Solidarität anderer sicher sein, selbst der von Gegnern.

Rund 1.400 französische Anhänger werden erwartet, die sich wie die britischen Fans auf verschärfte Einlasskontrollen gefasst machen müssen. "Es ist sehr wichtig, dass wir unser normales Leben fortsetzen", meinte Premierminister David Cameron. (APA, 16.11.2015)